Stillsitzen war gestern

Von Susan Künzel
Bewegte Schule


Sitzen, besonders das Stillsitzen, zählt zu den ungesündesten Haltungen des Menschen, ist die Erkenntnis aktueller Wissenschaft. In der traditionellen Schule wird aber genau das den Kindern und Jugendlichen abverlangt – viele Stunden am Tag.
Doch es geht auch anders: „Bewegte Schule“ mobilisiert Schüler und Lehrer und wird in Sachsen von einer Forschungsgruppe der Uni Leipzig begleitet.

Am meisten und am schnellsten lernen Menschen in ihren ersten Lebensjahren. Intuitiv nutzen die Kleinen alle ihre Sinne fürs Entdecken des Lebens. Und immer sind sie in Bewegung – sie greifen, fassen, werfen, ziehen, formen, rennen, hüpfen, um ihren Körper, die Sprache und alles um sie herum zu erforschen, zu erfahren und zu gestalten.

SITZEN BLEIBEN

Kommen die so bewegungs- wie wissbegierigen Kleinen dann voller Vorfreude in die Schule, werden sie auf genormte Stühle gesetzt und sollen viele Schulstunden lang ganz still sitzen bleiben. (Nur am Schuljahresende ist Sitzenbleiben nicht erwünscht.) Auch in den Pausen gilt es, Ruhe zu halten, wenn die Zeit, der Platz, das Wetter oder die Aufsicht kein Toben auf dem Schulhof zulässt. Lediglich die wenigen wöchentlichen Sportstunden erlauben einige Bewegungseinheiten, aber kaum nach den kindlichen Bedürfnissen, sondern möglichst so hoch, weit und schnell wie es der Lehrplan vorsieht. Folglich mangelt es alsbald nicht nur an Bewegung, sondern auch an Schulfreude.

BEWEGT LERNEN

Das mag etwas zugespitzt sein. Denn es bewegt sich was an vielen Schulen. Da werden Hände, Arme und Schultern gekreist, bevor die Kreise aufs Papier kommen, mit Laufdiktaten neben der Rechtschreibung auch das Merken und schnelle Füße trainiert, mit Liedern ein Lachen auf die Lippen und Sauerstoff in die Zellen gebracht. Arme und Beine auszuschütteln macht auch den Kopf frei. Dank Sitzbällen muss man nicht mehr mit den Stühlen kippeln, um den Bewegungsdrang auszugleichen.

Neben Bewegungspausen und -utensilien wird auch die Lernmethodik verändert. Je mehr Sinne beim Lernen angesprochen werden, desto nachhaltiger werden Dinge und Sachverhalte verstanden und erinnert. Viele Studien belegen, dass mehr Bewegung im Unterricht und im Schulalltag die Kinder nicht nur mobilisiert, sondern auch motiviert. Sie gehen wieder mit Freude in die Schule, sind sozialer untereinander und ertragen Frust besser. Nicht nur Grundschulkinder, auch Jugendliche, die in Schule wie Freizeit mehr sitzen, mit eher handy- als körpergerechter Haltung, profitieren von bewegtem Lernen. Zudem bekommen Schüler Anreize, die für sich geeignetste Lernmethode herauszufinden – etwas begreifen oder verbildlichen, es leise oder laut, gehend oder gestikulierend verinnerlichen.

Bewegte Schule in Sachsen
Die Sportwissenschaftliche Fakultät der Uni Leipzig begleitet interessierte Schulen, bespricht Ziele, Inhalte, Materialien sowie Methoden und vergibt sogar ein Zertifikat.
Das Konzept „Bewegte Schule“ beinhaltet drei große Bereiche: bewegter Unterricht, bewegte Pause und bewegtes Schulleben. Der Schulsport gilt als Fundament und sollte der Bewegungserziehung Impulse geben. Ähnliches gilt für die wechselseitigen Bezüge zur Freizeit – über Kooperationen mit Sportvereinen, Tanzschulen, dem ADFC oder der Feuerwehr sowie Austausch mit ehemaligen Schülern und vor allem der Familie. Damit es auch daheim nicht mehr so oft heißt „Sitz endlich still“.

Beispiele für bewegten Unterricht:

Beispiele für bewegte Pause:

Beispiele für bewegtes Schulleben:

BERUHIGT LEHREN

Auch die Lehrkräfte gewinnen letztlich Ruhe mit der Unruhe. Vordergründig scheint so viel Bewegung im Unterricht den Ablauf zu stören. Sind allerdings die Bewegungselemente erstmal integriert und geschätzt, verläuft die übrige Unterrichtszeit deutlich konzentrierter und ruhiger – und somit freudvoller und erfolgreicher. Auch das Verhältnis zwischen Lernenden und Lehrenden wird besser. Letztere dürfen für bewegtes Lernen tief in die kreative Schatzkiste greifen und sich an ihre eigenen Bedürfnisse aus Kindertagen erinnern oder auch ihre Schulklasse fragen, was sie bewegt. Und natürlich professionelle wissenschaftliche Unterstützung nutzen.

Unterstützung und Zertifizierung „Bewegte Schule“
Schulen aller Schularten können sich bewerben und innerhalb eines Schuljahres die Entwicklung zur „Bewegten Schule“ durchlaufen. Werden die Prüfkriterien erfüllt, gibt es ein Zertifikat. Im vergangenen Schuljahr waren es sachsenweit elf Schulen, die das Zertifikat erlangt haben.

Kontakt: Universität Leipzig, Sportwissenschaftliche Fakultät, Fachgebiet Schulsport
Jahnallee 59, Haus 1, Raum A 0003, 04109 Leipzig, info@bewegte-schule-und-kita.de
bewegte-schule-und-kita.de

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