Sitzen, besonders das Stillsitzen, zählt zu den ungesündesten Haltungen des Menschen, ist die Erkenntnis aktueller Wissenschaft. In der traditionellen Schule wird aber genau das den Kindern und Jugendlichen abverlangt – viele Stunden am Tag. Doch es geht auch anders: „Bewegte Schule“ mobilisiert Schüler und Lehrer und wird in Sachsen von einer Forschungsgruppe der Uni Leipzig begleitet.
Am meisten und am schnellsten lernen Menschen in ihren ersten Lebensjahren. Intuitiv nutzen die Kleinen alle ihre Sinne fürs Entdecken des Lebens. Und immer sind sie in Bewegung – sie greifen, fassen, werfen, ziehen, formen, rennen, hüpfen, um ihren Körper, die Sprache und alles um sie herum zu erforschen, zu erfahren und zu gestalten.
SITZEN BLEIBEN
Kommen die so bewegungs- wie wissbegierigen Kleinen dann voller Vorfreude in die Schule, werden sie auf genormte Stühle gesetzt und sollen viele Schulstunden lang ganz still sitzen bleiben. (Nur am Schuljahresende ist Sitzenbleiben nicht erwünscht.) Auch in den Pausen gilt es, Ruhe zu halten, wenn die Zeit, der Platz, das Wetter oder die Aufsicht kein Toben auf dem Schulhof zulässt. Lediglich die wenigen wöchentlichen Sportstunden erlauben einige Bewegungseinheiten, aber kaum nach den kindlichen Bedürfnissen, sondern möglichst so hoch, weit und schnell wie es der Lehrplan vorsieht. Folglich mangelt es alsbald nicht nur an Bewegung, sondern auch an Schulfreude.
BEWEGT LERNEN
Das mag etwas zugespitzt sein. Denn es bewegt sich was an vielen Schulen. Da werden Hände, Arme und Schultern gekreist, bevor die Kreise aufs Papier kommen, mit Laufdiktaten neben der Rechtschreibung auch das Merken und schnelle Füße trainiert, mit Liedern ein Lachen auf die Lippen und Sauerstoff in die Zellen gebracht. Arme und Beine auszuschütteln macht auch den Kopf frei. Dank Sitzbällen muss man nicht mehr mit den Stühlen kippeln, um den Bewegungsdrang auszugleichen.
Neben Bewegungspausen und -utensilien wird auch die Lernmethodik verändert. Je mehr Sinne beim Lernen angesprochen werden, desto nachhaltiger werden Dinge und Sachverhalte verstanden und erinnert. Viele Studien belegen, dass mehr Bewegung im Unterricht und im Schulalltag die Kinder nicht nur mobilisiert, sondern auch motiviert. Sie gehen wieder mit Freude in die Schule, sind sozialer untereinander und ertragen Frust besser. Nicht nur Grundschulkinder, auch Jugendliche, die in Schule wie Freizeit mehr sitzen, mit eher handy- als körpergerechter Haltung, profitieren von bewegtem Lernen. Zudem bekommen Schüler Anreize, die für sich geeignetste Lernmethode herauszufinden – etwas begreifen oder verbildlichen, es leise oder laut, gehend oder gestikulierend verinnerlichen.
Bewegte Schule in Sachsen Die Sportwissenschaftliche Fakultät der Uni Leipzig begleitet interessierte Schulen, bespricht Ziele, Inhalte, Materialien sowie Methoden und vergibt sogar ein Zertifikat. Das Konzept „Bewegte Schule“ beinhaltet drei große Bereiche: bewegter Unterricht, bewegte Pause und bewegtes Schulleben. Der Schulsport gilt als Fundament und sollte der Bewegungserziehung Impulse geben. Ähnliches gilt für die wechselseitigen Bezüge zur Freizeit – über Kooperationen mit Sportvereinen, Tanzschulen, dem ADFC oder der Feuerwehr sowie Austausch mit ehemaligen Schülern und vor allem der Familie. Damit es auch daheim nicht mehr so oft heißt „Sitz endlich still“.
Beispiele für bewegten Unterricht:
Bewegtes Lernen: Himmelsrichtungen in Geografie oder Zeitformen in Deutsch mit Schritten in die jeweilige Richtung verorten; fremdsprachige Vokabeln mit inhaltsentsprechender Bewegung oder Theaterspiel üben
Dynamisches Sitzen: auf Sitzbällen, Sitzkissen, Wackelstühlen und Balance Pads; auch bäuchlings lesen oder kniend schreiben
Auflockerungsminuten: Grimassen ziehen, Finger- und Fußgymnastik, Strecken, Dehnen, Fahrradfahren auf dem Stuhl
Entspannungsphasen: ruhige (Lern)Spiele wie Stille Post, Dinge in Zeitlupe tun
Bewegungsorientierte Projekte: Erkundungswaldlauf, historische Tanzformen, Olympische Spiele von Antike bis heute
Individuelle Bewegungszeit: Sind die aufgeführten Bewegungseinheiten jederzeit (in vorher vereinbartem Rahmen) erlaubt, sorgen Schüler eigenverantwortlich für ihre Konzentration
Beispiele für bewegte Pause:
Auf dem Schulhof: Murmelspiele und Gummihopse ohne großen Geräte- und Zeitaufwand
Im Schulhaus / Klassenzimmer: von Schülern gebaute und zusammengestellte Pausenspielkiste z.B. mit Jo-Jos, Tüchern, Jonglierbällen, Tischfußball-Steinchen
Offene Turnhalle: freie Bewegungsräume zum Ausprobieren und (kontrolliertem) Abreagieren
Gestaltete Bewegungsräume: neben „richtigen“ Spielgeräten auch „erfahrungsoffene“ wie ausgediente Fahrradreifen, umgefallene Baumstämme, Kartons
Beispiele für bewegtes Schulleben:
Eltern-Kind-Spielstunden: Ballspiele oder Bewegungslieder mit Familienanschluss
Spiel- und Sportfeste: mit kreativen Neuerungen wie Dreibeinlauf oder Streichholzspeerwurf
Wandertage und Klassenfahrten: auch mal barfuß oder im Dunkeln, mit Karte und Kompass und Naturmaterialien
BERUHIGT LEHREN
Auch die Lehrkräfte gewinnen letztlich Ruhe mit der Unruhe. Vordergründig scheint so viel Bewegung im Unterricht den Ablauf zu stören. Sind allerdings die Bewegungselemente erstmal integriert und geschätzt, verläuft die übrige Unterrichtszeit deutlich konzentrierter und ruhiger – und somit freudvoller und erfolgreicher. Auch das Verhältnis zwischen Lernenden und Lehrenden wird besser. Letztere dürfen für bewegtes Lernen tief in die kreative Schatzkiste greifen und sich an ihre eigenen Bedürfnisse aus Kindertagen erinnern oder auch ihre Schulklasse fragen, was sie bewegt. Und natürlich professionelle wissenschaftliche Unterstützung nutzen.
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