Wischen, kneten, schnippeln, räumen – Hausarbeit macht schlau

Von Claudia Hempel
Kinder helfen im Haushalt (Comic)

Sollen Kinder im Haushalt helfen? Meist fehlt den Eltern die Geduld oder sie wollen dem Kind keine Lasten aufbürden. Dabei steckt in der Haushaltsarbeit eine Menge ungenutztes Potenzial für die Entwicklung eines Kindes. Hausarbeit macht schlau – so die Ergebnisse verschiedener Studien.

Neulich beobachtete ich meinen anderthalbjährigen Enkelsohn, wie er versuchte, einen Wischmopp vor sich her zu schieben. Das hatte er bei den Erwachsenen so gesehen. Doch sein Problem war, dass der Wischmopp mit seinem langen Stiel ungefähr dreimal so groß ist wie er selbst. Immer wieder stolperte er über den Stiel oder verlor ihn ganz aus der Hand. Dann fiel die lange dünne Stange mit einem Klack auf das Laminat. Der kleine Mensch hob den Wischmopp wieder auf und ging zwei Schritte, bumms lag er selbst auf dem Boden.

Doch er war in keinerlei Hinsicht frustriert. Im Gegenteil – er lachte, jauchzte, und seine Augen strahlten.

knirpse wollen mitmachen

In diesem Moment dachte ich bei mir: Ab wann wird aus dem großen Spaß Unlust oder Frust? Denn fragt man ältere Kinder: Willst du mit sauber machen? Oder bittet sie: Räum doch mal den Tisch ab! Dann sind sie alles andere als begeistert. Sie werden weder lachen, noch jauchzen, und ihre Augen werden auch nicht strahlen.

Klar, Hausarbeit gilt als unliebsame Arbeit, jedes Familienmitglied drückt sich davor und fast keiner räumt gern Dreck weg, sortiert gern Wäsche, putzt gern Fenster oder steht gern stundenlang in der Küche und kocht. Aber die kleinen Knirpse sind dafür noch so richtig zu begeistern. Vielen Eltern ist nicht bewusst, wie stark Hausarbeit die Entwicklung eines Kindes auf allen Ebenen fördert.

Natürlich sollte diese Tätigkeit immer dem Alter angepasst und mit genügend Freizeit drum rum sein. Aber einen 3-Jährigen zu bitten, den Tisch zu decken, die 4-Jährige aufzufordern, die Geschirrspülmaschine einzuräumen oder die 5-Jährigen zum Bäcker um die Ecke zu schicken, das sind Tätigkeiten, die völlig altersgemäß sind. Das kennt doch sicher jeder noch in Erinnerung an die eigene Kindheit: Wie groß man sich fühlt, wenn man, mit Beutel und Portemonnaie ausgestattet, das erste Mal allein losziehen darf, die Brötchen zu holen. Welche Verantwortung man spürt und wie stolz man ist.

helfen macht klug und geschickt

Was den wenigsten Erwachsenen bewusst ist: All diese Tätigkeiten machen Kinder auch noch schlau, denn sie fördern sowohl kognitive als auch motorische Lernprozesse.

Kinder, die im Haushalt helfen, sind später einfach klüger und motorisch geschickter als andere Gleichaltrige, das haben mehrere Studien untersucht und bestätigt. Der Kinder- und Jugendarzt Rupert Dernick sowie der Psychologe und Kinderpsychotherapeut Günter Esser aus Potsdam haben in einer Studie 500 Kinder im Alter zwischen vier und sieben Jahren untersucht. Begleitet wurde die Studie von einem Team der Abteilung für Klinische Psychologie an der Universität Potsdam.

Wer seine Brote abends selbst schmiert, ist motorisch Kindern überlegen, die fertig zubereitete Schnitten serviert bekommen.  Wer regelmäßig den Tisch deckt, übt dabei fast nebenbei räumliches Denken, und wer mit Mama oder Papa Socken sortiert, erkennt schneller Muster oder Unterschiede. Das Wimmelbuch in Sockenform sozusagen. Die Vorteile lassen sich beliebig fortsetzen: Wäsche zu falten, übt geometrische Grundlagen und Feinmotorik; Teig zu kneten, stärkt die Fingermuskulatur und schult den Tastsinn; die passende Anzahl von Tellern, Gläsern und Besteck auf dem Frühstückstisch ist angewandte Mathematik; 250 Gramm Mehl in den Messbecher zu schütten, vermittelt ein Gefühl für Mengen. Und als Nebeneffekt fördern all diese Tätigkeiten die Selbstständigkeit und damit die altersgerechte Entwicklung des Kindes.

Auch zwei amerikanische Langzeitstudien, die sich dem Thema widmen, die Grant Study der Harvard University und eine weitere Studie der University of Minnesota, kommen zu dem Ergebnis, dass aus Kindern, die im Haushalt helfen, später glücklichere und smartere Erwachsene werden. Sie haben ein besseres Zeitmanagement und eine stabilere psychische Gesundheit. Dadurch, dass sie durch ihre Mithilfe familiäre Zusammenhänge besser erfahren, wird außerdem ihre Empathie geschult. Begleitet wurden die Kinder bis in ihre Zwanziger und dort zeigte sich: Auch in Ausbildung und Job hatten die helfenden Kinder die Nase vorn.

weniger perfektion, mehr lust als frust

Wichtig ist allein, dass Eltern bei der Einbindung ihrer Kinder in Haushaltstätigkeiten ein wenig Gelassenheit an den Tag legen, meint Katharina Saalfrank, die einst mit ihrer Fernsehsendung „Die Super Nanny“ Millionen Menschen gezeigt hat, wie die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern gelingen kann. Bis heute berät Katharina Saalfrank Familien in ihrer eigenen Praxis. Die Mithilfe im Haushalt ist da ein Thema unter  vielen. Dabei zeigt sich aber, dass auch hier gilt, was bei allen anderen Themen ebenso zählt:

Ein gemeinsames Aushandeln und ein wertschätzendes Miteinander sind der Schlüssel zum Erfolg. Das kann auch bedeuten, dass Erwachsene ihr Bild von Ordnung und Sauberkeit ein klein wenig korrigieren müssen. Denn natürlich wird die Küche nicht so aussehen, wie wenn Erwachsene sie putzen. Oder der Wäschestapel hat weniger streng geometrische Formen.

Nur wenn Eltern das akzeptieren, wird es ein friedvolles und freundliches Miteinander geben. Die ehemalige Super Nanny erlebt immer wieder, dass zu große und unrealistische Erwartungen der Großen irgendwann Frust und Unlust entstehen lassen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, Haushaltsarbeit spielerisch zu organisieren. Rupert Dernick, Kinderarzt aus Norddeutschland und selbst dreifacher Vater, hat sich zum Beispiel das „Spülmaschinenwettrennen“ ausgedacht. „Die Kinder haben den Besteckkasten ausgeräumt und ich in derselben Zeit Töpfe und Teller. Wer als Erster fertig war, hatte gewonnen.“ Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.

es ist nie zu früh und nie zu spät

Neulich habe ich mit dem 6-jährigen Enkel einen Obstsalat geschnippelt. Erst hatte er wenig Lust, dann war er doch dabei. Er hatte sich für die Pflaumen entschieden. Ich habe die Kerne entfernt, und er konnte dann die Hälften in kleine Stücke schneiden. Mit dem scharfen Messer ging er sehr vorsichtig um. Ich habe ihm gezeigt, wie er seine Finger schützt, damit er sich nicht schneidet. Und ich habe mich gewundert, mit wie viel Geduld und unendlicher Konzentration er Pflaume für Pflaume in kleine Scheiben schnitt. Am Ende war er sehr stolz auf seine Arbeit und erzählte am Tisch, als die ganze Familie den Obstsalat aß, dass er sich eine besondere Schnitttechnik ausgedacht habe, damit die kleinen Scheiben nicht vom Schneidebrett wegrutschen. Ich behaupte jetzt mal, dieser Obstsalat hat dem 6-Jährigen bestimmt besser geschmeckt als ein fertiger Salat. Selbstwirksamkeit und Genuss finden so zueinander.

Wann aber sollen Kinder anfangen, im Haushalt zu helfen? Die Erfahrung mit dem Anderthalbjährigen und seinem Wischmopp zeigt: Es ist nie zu früh. Und der Harvard-Psychologe Richard Bromfield meint: Es sei nie zu spät, um Hausarbeiten für Kinder einzuführen. Ein Trost für die Familien, bei denen Hausarbeit bislang allein in den Händen Erwachsener lag.

Mehr Informationen und Hintergründe: www.familienergo.de

Wer genauer nachlesen möchte, wie hilfreich die Dinge sind, die Kinder im Haushalt lernen können und wie viel sie dazu beitragen, die Kinder überhaupt schulfähig zu machen, findet umfangreiches Material im Buch des Kinder- und Jugendarztes Dr. Rupert Dernick. Auch viele Anregungen für den Familienalltag findet man darin.

Rupert Dernick und Werner Tiki Küstenmacher (Illustrationen): Topfit für die Schule durch kreatives Lernen im Familienalltag. Verlag: Kösel

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