Junge Zauberer hereinspaziert
Schon mal was vom Magischen Zirkel von Deutschland gehört? Vermutlich nicht. Wir klären, was es damit auf sich hat und wie man Mitglied werden kann. Zu Abrakadabra, Hokus Pokus Fidibus […]
Bevor ich (66) begann, diesen Artikel zu schreiben, habe ich eine Leiter geholt, bin ganz hochgestiegen und habe aus dem Bücherregal meine etwas verstaubte Briefmarkensammlung geholt. Ja, ich war als Kind eine Sammlerin. Aber warum eigentlich?
Ich blättere mich durch die Alben. Immer wieder hatte ich sie neu sortiert, nach Ländern und Themen. Und dabei viel gelernt über ferne Regionen, verschiedene Währungen, fremde Schriftzeichen. Und auch die Motive boten viel Wissenswertes.
Sie sammeln Sammelkarten von Fußballern oder auch angesagten Computerspielen. Doppelte Karten lassen sich mit Klassenkameraden nicht nur gut tauschen, man kann auch darüber trefflich fachsimpeln. Und ein komplett gefülltes Sammelalbum macht glücklich.
Aber sie sammeln auch Kuscheltiere und erinnern sich bei jedem, wann und warum sie es bekommen haben. Sie sammeln Kunststofftiere, um damit einen Zoo zu bauen. Sie sammeln Kastanien, Eicheln und Blätter, um damit zu basteln. Und sie sammeln Legosteine, um damit immer wieder anders und neu eine eigene kleine Welt aufzubauen.
Es ist jedoch kein innerfamiliäres Phänomen, um das es hier geht. Denn alle Kinder sammeln. Mit diesem Thema befasst sich der Erziehungswissenschaftler Ludwig Duncker, der in Leipzig und Gießen geforscht hat. Innerhalb von 30 Jahren hat er mehr als 800 Kinder zu ihrer Leidenschaft befragt.
Warum sie sammeln – das hat er trotz aller Mühe nicht herausbekommen. „Wir wissen es nicht“, gesteht er. „Es macht Spaß“, war immer wieder die knappe Auskunft.
Und doch hat er sich des Rätsels Lösung angenähert. Er sagt: „Sammeln ist wie sprechen lernen: Eine bildende Tätigkeit, die den Kindern einen eigenen Zugang zur Welt ermöglicht.“
Das beginnt bereits im Babyalter. Sobald Kleinkinder krabbeln können, schleppen sie ihre Lieblingsgegenstände herum.
Später kristallisieren sich bestimmte Vorlieben heraus. Und in der Grundschule wird das Sammeln zu einer systematischen Tätigkeit.
Das ist gut! Denn so erschließt sich die Welt: „Durch die intensive Beschäftigung mit den gesammelten Dingen eignen sich Kinder gezieltes Fachwissen an. Das alles entspringt ihrem ureigenen, freiwilligen Interesse, geschieht auf spielerische Art und Weise, kombiniert mit einer großen Portion Begeisterung – eine optimale Voraussetzung fürs Lernen“, sagt die Wiener Kinderpsychologin Simone Fröch.
Sammeln nützt dem Erlernen von Geduld. Denn eine Sammlung entsteht nicht von heute auf morgen. Manchmal dauert es längere Zeit, bis ein Kind das nächste Objekt der Begierde in den Händen hält.
Sammeln stärkt das Selbstbewusstsein und soziale Bindungen, weil gemeinsame Interessen die Entstehung von Freundschaften begünstigen.
Sammeln begünstigt die Sprach-, Lese- und Schreibfähigkeit. Kinder können ihre Sammelobjekte erstaunlich gut beschreiben und einordnen, auch weil sie oft gründlich nachforschen, was es mit ihnen auf sich hat.
Sammeln dient der Rechenfähigkeit. Anzahl, Größen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede innerhalb einer Sammlung abzuschätzen und zu erkennen dient dem mathematischen Verständnis.
Sammeln schärft den Sinn für Schönheit, für spannende Formen, schöne Farben oder interessante Oberflächen.
Sammeln fördert den richtigen Umgang mit Geld. Denn man muss warten, bis das nächste Taschengeld kommt, um die Sammlung zu erweitern.
Sammeln unterstützt den Ordnungssinn. Beim Sortieren ihrer Schätze lernen Kinder, systematisch vorzugehen.
Manchmal scheint es Eltern beim Sammeln jedoch eher chaotisch zuzugehen. Dabei sollte man jedoch berücksichtigen, dass Erwachsene ein anderes Verständnis von Chaos haben als Kinder. Bei einer sehr ausgeprägten Sammelleidenschaft ist allerdings die Frage berechtigt, woran das liegen könnte.
Die Psychologin Simone Fröch merkt dazu an: „Manchmal hortet ein Kind immer mehr und mehr Schätze und zeigt massiven Widerstand beim geringsten Versuch, das einzuschränken. Dann steckt vielleicht ein Problem dahinter, das sich in zwanghaftem Sammeln und Behalten seinen Ausdruck sucht“. In dem Fall sollten die Eltern nachforschen, woran es liegen könnte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Kind etwas fehlt, das es durchs Sammeln kompensieren möchte.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einer ausufernden Sammelwut Grenzen zu setzen:
Vielleicht mögen Emil und August ja auch meine Briefmarken. Wenn sie das nächste Mal kommen, werde ich ihnen die Sammlung zeigen.
Ludwig Duncker, Katharina Hahn, Corinna Heyd
Wenn Kinder sammeln. Begegnungen in der Welt der Dinge.
Klett-Kallmeyer 2014