Doktor Google weiß Rat?

Von Claudia Hempel

Wer im Internet Krankheiten googelt, findet allerhand Informationen zu neuen Behandlungsmethoden oder Medikamenten, doch oft genug findet man auch Krankheiten, die man gar nicht hat.

Völlig aufgelöst klingelt meine Nachbarin Tina an der Tür. Ihre Tochter hat Bauchschmerzen, vor einer halben Stunde sei sie mit einer Wärmflasche und Fencheltee glücklicherweise eingeschlafen. Doch Tina hat am nächsten Tag einen wichtigen beruflichen Termin und würde die 7-Jährige trotzdem gern zur Schule schicken. Kann sie es wagen?

Sie habe schon die ganze Zeit im Internet gegoogelt und jetzt sei sie völlig ratlos. Ist es eine Verstopfung? Oder doch der Blinddarm? Ein Magen-Darm-Infekt? Gallensteine? Oder steckt gar MIS-C dahinter – eine Krankheit, die Kinder in seltenen Fällen nach einer Corona-Infektion bekommen können? Andererseits stehe da im Internet auch, dass Kinder oft unter Bauchschmerzen leiden und dass das auch gar nicht so schlimm sei.
Was solle sie denn jetzt machen? – „Wo hast du denn geguckt?“, frage ich sie. – „Weiß nicht. Ich habe „Bauchschmerzen Kind“ eingegeben. Und dann geklickt, was da so kam.“ – „Hast du geschaut, von wem die Seite ist?“ – „Nee. Nicht wirklich.“ – „Lass uns mal ein Experiment machen“, schlage ich ihr vor.
Wir setzen uns mit unseren Laptops an den Küchentisch und jede von uns gibt bei Google „Bauchschmerzen Kind“ ein.

Was uns zuerst auffällt: Die Treffer auf unsere Suchanfrage sind völlig unterschiedlich. Jede bekommt andere Seiten angezeigt.
Die Erklärung: Google zeigt seine Treffer nicht „objektiv“ an, sondern wählt aus. Was hat die betreffende Person in der Vergangenheit mit Google gesucht? Welche Seite bezahlt am besten, damit sie weit oben gelistet wird? Wer hat seine Seite am besten verschlagwortet? Das heißt, bei welchen Suchworten schiebt sich welche Seite nach vorn?

Merksatz 1
Die Reihenfolge der Treffer sagt nichts über die Wichtigkeit der Information aus.

Gleich unter den ersten Treffern erscheint bei meiner Nachbarin eine Seite, welche erklärt, dass sie Alternativen zur Schulmedizin auflisten will und das Problem Bauchschmerzen ganzheitlich betrachtet. –„Das ist doch toll, guck mal. Die stellen sanfte Methoden vor.“ –„Was heißt denn sanft für dich?“ – „Na, die schlagen nicht gleich mit Chemiekeulen zu. Das finde ich gut.“ Ist Alternativmedizin eine Alternative? Auch hier lauert eine Gefahr.

Merksatz 2
Vorsicht bei Seiten, die „Schulmedizin“ als abwertenden Begriff benutzen.

Recht schnell erschließt sich, warum die Schulmedizin auf dieser einen Seite so kritisch gesehen wird. Parallel zu den erklärenden Zeilen über alle möglichen Arten von Bauchschmerzen bei Kindern erscheinen immer wieder Anzeigen von Nahrungsergänzungsmitteln, Globuli oder Pflanzenextrakten, die man im Internet für recht happige Summen bekommen kann. Wenn man die bestellt, so das große Versprechen, gehören Bauchschmerzen künftig der Vergangenheit an. Dazu passt auch eine Seite, die scheinbar seriös über eine gesunde Ernährung aufklärt, die „den Darm stärkt und die Darmflora aufbaut“. Natürlich wartet dann nur einen Klick weiter die „symbiotische Premium-Mischung aus 23 der wichtigsten Milchsäure- und Bifidobakterien mit 20 Milliarden vermehrungsfähigen Mikroorganismen pro Kapsel“ zum Preis von 24,99 Euro für 90 Kapseln auf die bauchwehgeplagt im Internet Suchenden.

Merksatz 3
Meide Seiten, die direkt oder über verlinkte Seiten Produkte verkaufen wollen.

„Okay, verstanden. Aber schau mal hier“, sagt Tina, „hier ist ein Forum, in dem sich vorwiegend Mütter austauschen, wie sie die Bauchschmerzen ihrer Kinder behandelt haben. Die werden doch jetzt keine kommerziellen Interessen verfolgen, oder?“ –„Nein, wahrscheinlich nicht. Aber diese Mütter sind auch keine Ärztinnen oder Medizinerinnen. In so einem Forum kann man sich austauschen, aber verlässliche medizinische Informationen bekommt man hier nicht. Niemand prüft die Aussagen in Internetforen auf ihren Wahrheitsgehalt. Es kann sein, dass da was Wahres zu finden ist, aber es muss nicht sein.

Merksatz 4
In Internetforen und Chaträumen werden persönliche Meinungen ausgetauscht, doch sie sind keine wissenschaftlich fundierten und medizinischen Ratgeber.

„Und was bei Internetforen auch noch eine Rolle spielt: Sie können von Pharmafirmen oder anderen Firmen unterwandert werden.“ –„Unterwandert? Wie meinst du das?“ –„Es kommt nicht selten vor, dass Pharmafirmen sich in so ein Forum einklinken und dann getarnt als Patient die Diskussion gezielt lenken. Diese vermeintlichen Patienten sprechen dann im Forum von ihren tollen Erfahrungen mit diesem einen Medikament, das zufällig die Pharmafirma X oder Y vertreibt.“

Merksatz 5
Internetforen, aber auch Selbsthilfegruppen können versteckte Werbeplattformen für Hersteller von Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln sein.

„Puh. Ganz schön tricky. Und jetzt mal andersherum gefragt: Wie kann ich herausfinden, ob eine Seite vertrauenswürdig ist oder nicht?“ –„Am besten ist, ins Impressum zu schauen oder in die Rubrik Kontakt. Dort sollte stehen, wer die Seite betreibt. Nach dieser Person oder Organisation kann man dann unter dem Stichwort ‚Bewertung‘ oder ‚Kritik‘ googeln. So findet man unter Umständen heraus, ob die Organisation problematisch ist.“
Aber am einfachsten ist es, wenn man sich ein paar Seiten merkt, die von vornherein vertrauenswürdig sind und sich diese als Lesezeichen einrichtet.
Das sind zunächst einmal Seiten, die von den Krankenkassen betrieben werden – also von der Techniker Krankenkasse, der DAK, der AOK oder der Barmer.

Weitere vertrauenswürdige Seiten sind:

www.kinderaerzte-im-netz.de
Herausgeber ist der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.

www.krebsinformationsdienst.de
Hinter dieser Webseite steht eine gemeinnützige Organisation, die zum Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg gehört und Teil der Helmholtz-Gemeinschaft ist. Hier wird man online, aber auch telefonisch zum Thema Krebs beraten.

www.netdoktor.de
gehört zur Holtzbrinck-Gruppe und finanziert sich durch Werbung sowie Anzeigen von Pharmafirmen – jedoch wird großer Wert darauf gelegt, dass Werbung sehr klar vom redaktionellen Inhalt getrennt wird.

Corona im Netz

www.rki.de
Das Robert Koch-Institut ist die zentrale staatliche Stelle zum Thema Krankheitsüberwachung und Prävention.

www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus
Unter diesem Link findet man aktuelle Zahlen und Hintergründe der Bundesregierung zum Stand der Corona-Pandemie.

www.infektionsschutz.de
Diese Seite wird von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betreut.

www.zusammengegencorona.de
ist eine Seite des Bundesministeriums für Gesundheit, auf der man auch Fragen zu Corona stellen kann.

Ein ganz wichtiger Hinweis zum Schluss: Eine Suche im Internet sollte niemals den Arztbesuch ersetzen. Machen Sie sich Notizen als Grundlage für das Gespräch beim Arzt oder der Ärztin.

Und Tinas Tochter? Die war am nächsten Tag völlig beschwerdefrei und konnte in die Schule gehen.

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