Wildkräuter sammeln – auf der Suche nach grünen Schätzen, Teil 3

Von Susan Künzel
Was bietet der „zweite Frühling”?

Streift man im Herbst durch die Natur, leuchtet vielerorts nicht nur buntes Laub – an Sträuchern und Bäumen prangen auch orange und rote Früchte, viele davon sind essbar. Zudem sind eine ganze Reihe Kräuter wie Brennnessel, Labkraut, Rotklee, Spitzwegerich oder Löwenzahn bis spät in den Herbst zu finden. So kann man sich gut versorgen und den Herbst wahrlich als zweiten Frühling betrachten.

Hagebutte – die Vitamin-C-Kraftpakete

Zwanzigmal so viel Vitamin C wie Zitronen enthalten die „Männlein auf einem Bein, mit dem purpur Mäntlein und dem schwarz Käpplein klein“. Es macht Spaß, auf der Suche nach Hagebutten das alte Volkslied zu trällern. Diese stehen übrigens eher nicht „im Wald allein“, sondern leuchten recht häufig aus den Hecken unserer Parks und Gärten.
Übrigens bilden alle Rosensträucher diese Früchte, wenn die verwelkten Blüten nicht abgeschnitten werden. Und alle kann man ernten und verwerten.

Hagebutte
Hagebutten

Neben reichlich Vitamin C, das gerade jetzt im Herbst und Winter für unser Immunsystem notwendig ist, liefern die Früchte noch extrem viel Vitamine A, K und B, Fruchtsäuren, Pektine, Antioxidantien und Mineralien wie Eisen, Zink oder Kupfer. So wirkt der herb-fruchtige Genuss abwehrstärkend, blutbildend und harntreibend.
Die Hagebutten schmecken als Tee, Mus, Marmelade oder getrocknet und zerkleinert morgens im Müsli. Die Kerne und Härchen werden dafür entfernt. Allerdings kann man die Kerne aufheben, denn gerade diese helfen als „Kernlestee“ besonders wirksam bei Blasenentzündung und Erkältung.
Die Haupterntezeit für saftige Früchte ist von September bis November, die Früchte sollten idealerweise nicht mehr hart und noch nicht matschig sein. Nach dem ersten Frost werden sie besonders süß. Sie bleiben den ganzen Winter am Strauch und sind auch im Frühjahr meist noch genießbar.

Selbstgemachter Hagebuttentee
Für kraftvollen Hagebuttentee die Früchte an trockenen, sonnigen Tagen ernten, dann ist besonders viel Vitamin C drin. Für 200 ml Tee benötigt man mindestens acht reife Hagebutten. Ein besonderer Trick: die frischen (oder getrockneten) halbierten Früchte am Abend in kaltem Wasser ansetzen und über Nacht stehen lassen. Die Kerne und Härchen können drinbleiben. Morgens nur kurz aufkochen, den Tee durch ein Sieb gießen und den süßen Geschmack genießen.


Schlehdorn – dornenreicher Abwehrschutz

Wegen der Dornen ist es ratsam, beim Pflücken dicke Handschuhe zu tragen. Am besten ist es, auf den ersten Frost zu warten, bevor man sich ans Ernten macht.

Schlehe
Schlehen-Zweig

Die kleinen, runden, blauschwarzen Früchte reifen bis spätestens Ende November heran und werden erst nach ordentlichem Frieren roh genießbar. Das klappt aber auch im Gefrierschrank. Die Kälte halbiert den Gerbstoffgehalt. Der Rest an Gerbstoffen ist immer noch stark und zieht im Mund die Schleimhäute etwas zusammen. Diese adstringierende sowie die entzündungshemmende Wirkung macht die Schlehe so heilsam, egal ob bei Zahnfleisch- oder Blasenentzündung, Erkältung oder Fieber. Außerdem regt sie den Appetit an und fördert die Verdauung.
Neben den Gerbstoffen punkten die säuerlich schmeckenden Früchtchen mit den Vitaminen C, B 1, B 2, B 6, B 12 und Flavonoiden.

Schlehen-Oliven
Bekannt sind Saft, Sirup oder Schlehenmus. Weniger bekannt ist, dass man dieses Steinobst wie Oliven einlegen kann. Dafür nimmt man:

  • 500 g noch unreife Früchte
  • 2 Zweige Thymian
  • 2 Lorbeerblätter
  • 200 g Meersalz
  • ½  l Wasser

Die gesammelten Schlehen waschen und in ein sauberes Gefäß füllen. Das Wasser mit Kräutern und Salz aufkochen, etwas abkühlen lassen und über die Schlehen gießen. Das Gefäß mit einem Teller abdecken und die Schlehen in der Kräuter-Salz-Lake mindestens 2 Monate ziehen lassen. Danach gegebenenfalls mitsamt der Lake in kleine saubere Gläser umfüllen und genießen.



Löwenzahnwurzel – hervorragende Bitterstoffquelle

Im Herbst und über den ganzen Winter ist vor allem die Wurzel des Löwenzahns interessant, denn dort sammelt die Pflanze nun die Nährstoffe. Darunter ist das Inulin für uns von besonderem Wert, dessen Gehalt im Herbst bis zu 40 Prozent betragen kann. Inulin dient der Pflanze als Energiereserve und für den Menschen als wertvoller Ballaststoff. Er ist unverdaulich, aber genau darum ist er wertvolles Futter für gesunde Darmbakterien. Je mehr sie davon bekommen, desto besser vermehren sie sich und sorgen für ein starkes Mikrobiom. Davon profitiert ganz besonders das Immunsystem, denn etwa 70 Prozent der körpereigenen Abwehrzellen liegen im Darm.

Löwenzahn
Löwenzahn mit Wurzel

Die Wurzel des Löwenzahns ist schmal und lang, man gräbt sie am besten mit einem langen Messer aus und schützt die Hände dabei mit Handschuhen vor brauner Verfärbung. Dann lässt man die Wurzeln einen Tag antrocknen, bürstet anschließend die Erde ab, spült die Wurzeln sauber und kann sie direkt frisch zum Würzen verwenden. Zum Trocknen halbiert man sie der Länge nach und hängt sie luftig auf. Alternativ kann man sie in kleine Stücke schneiden oder raspeln und in der Sonne trocknen.
Die enthaltenen Bitterstoffe ist man kaum noch gewohnt, weil sie aus dem heutigen Obst und Gemüse herausgezüchtet wurden und unsere Geschmacksnerven auf süß getrimmt sind. Jedoch sind die Bitterstoffe sehr wichtig für die Aufnahme der Nährstoffe und die Verdauung. Entsprechend kann man Blähungen und Völlegefühl mit Löwenzahnwurzel begegnen, auch Blase und Nieren tut ein starker Teeaufguss gut. Wie die Blätter und Blüten liefern auch die Wurzeln jede Menge Vitamine und Mineralstoffe für eine gute Immunabwehr und Blutbildung.

Löwen-Muckefuck
Eltern oder Großeltern kennen noch den Kaffeeersatz „Muckefuck“. Neben Löwenzahnwurzeln gibt es ihn auch aus Gerste, Roggen, Dinkel, Lupine oder Zichorie (Gemeine Wegwarte); alle Sorten sind wieder vermehrt in den Geschäften zu finden. Sie sind allesamt von Natur aus koffeinfrei und auch für Kinder gut geeignet. Am besten ist er selbst gemacht: Für den Löwen-Muckefuck die getrockneten Löwenzahnwurzeln fein mahlen und wie Kaffee aufbrühen.

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