Wildkräuter sammeln – auf der Suche nach grünen Schätzen

Von Susan Künzel
Teller mit Wildkräuter

Löwenzahn und Gänseblümchen sind nicht nur wunderhübsch anzusehen, sondern auch essbar. Kindern macht es Spaß, sie zu pflücken und zu naschen. Und das ist sogar gesund! Viele Wildkräuter, die gemeinhin als Unkraut gelten, sorgen nach dem langen Winter für einen ordentlichen Nachschub an Vitaminen sowie wichtigen Mineralien. Sie spenden Kraft und heilen viele kleine und große Wehwehchen. Hier eine Auswahl.

sonnenhungriges Gänseblümchen, © Lilli Künzel
sonnenhungriges Gänseblümchen (© Lilli Künzel)

„Wenn du mit einem Fuß auf sieben Gänseblümchen treten kannst, dann ist Frühling“, sagt ein alte Lebensweisheit. Die kleinen sonnigen Überlebenskünstler zeigen sich mit als erste, wenn zu Jahresbeginn die ersten essbaren Wildpflanzen hervorschauen. Auch Hirtentäschel, Giersch, Bärlauch, Vogelmiere, Gundermann, Wegerich, Labkräuter, Veilchen, Sauerampfer, Taubnessel und viele andere Frühlingswildkräuter holen unseren Stoffwechsel aus dem Winterschlaf. Sie bringen viel Vitamin C, A und K mit, zudem Kalium, Kalzium und Magnesium. Viele sind reich an ätherischen Ölen, Flavonoiden, Gerb-, Bitter- und Schleimstoffen, einige strotzen vor Eisen oder Kieselsäure; sie sind gut für die Haut, die Atemwege oder das Herz. Alles, was grün ist, enthält Chlorophyll, das unserem Blut sehr ähnlich ist und dem Menschen guttut.


GÄNSEBLÜMCHEN – DAS WIESENPFLASTER

Die hübschen Blüten schmecken leicht nussartig, die kleinen Blättchen erinnern etwas an Feldsalat. Also am besten direkt von der Wiese naschen und damit reichlich Vitamine und Eisen tanken. Mit ihnen kann man Salate, Suppen oder Quark aufpeppen, ein Butterbrot wertvoll belegen oder ein Pesto krönen. Etwa zehn Blüten genügen für eine Tasse Tee gegen Husten, Halsweh oder Schnupfen (ungefähr zehn Minuten ziehen lassen). Bei kleinen Verletzungen oder bei Akne hilft es, ein Blümlein zu zerreiben und auf die Haut zu legen – als Wiesenpflaster sozusagen.

BÄRLAUCH – EINE BÄRENPFLANZE

Der Bärlauch schiebt sich schon im Februar kraftvoll durch dickste Laubschichten und breitet sich rasant aus. Solch besonders vitale, kräftige Arten werden als Bärenpflanzen bezeichnet; sie frisst der Bär nach dem Winterschlaf als Erstes. Menschen dienen Blätter und Blüten als kräftiger Frühjahrsputz bei Appetitlosigkeit, Blähungen oder Durchfall. Kleingeschnitten vermischt man sie zu Kräuterbutter oder -quark, mit Nüssen und Olivenöl zu Pesto oder gibt sie einfach on top auf die Gemüsepfanne. Die noch geschlossenen Blütenköpfe kann man wie Kapern in Öl oder Essig einlegen, die offenen weißen Blüten bis in den Mai hinein beim Sammeln direkt in den Mund stecken und daheim auf den Salat oder das Butterbrot streuen. Nach der Blüte entwickeln sich – etwa im Juni – schwarze Samen, die getrocknet wie Knoblauchpfeffer schmecken.

Bärlauch-Teppich im März im Leipziger Auwald, © Lilli Künzel
Bärlauch-Teppich im März im Leipziger Auwald (© Lilli Künzel)

Bärlauchblütenkapern in Öl: Geschlossene Bärlauchblütenknospen gut waschen, man kann dafür dem Wasser auch etwas Essig zugeben. Abtropfen lassen oder gut trocken tupfen und in ein Glas geben. Wer mag, kann mit Peperoni oder Galgant zusätzliche Würze hinzufügen, dann mit Olivenöl oder anderem sehr guten Öl auffüllen und etwas schütteln, bis alle Knospen bedeckt sind. Ca. zwei Wochen kühl stellen und ziehen lassen. Vor dem Verzehr ins Warme holen, damit das Öl flüssig wird.


VOGELMIERE – VERTREIBT DIE FRÜHJAHRSMÜDIGKEIT

Jäten Sie dieses „Beikraut“ im Balkonkasten oder an den Gartenwegen bloß nicht, naschen Sie lieber die zarten Spitzen. Sogar im Winter sorgt die Vogelmiere für einen frischen Salat, geschmacklich erinnert sie mit ihrem feinen Nussaroma an junge Maiskolben. Neben dem Geschmack erkennt man Vogelmiere an einem einzelnen Band zarter weißer Haare am Stängel. Das zu erkennen, helfen scharfe Kinderaugen. Dank unzähliger wertvoller Inhaltsstoffe gibt Vogelmiere Lebenskraft und hilft bei Mangelerscheinungen wie der Frühjahrsmüdigkeit. Vormittags frisch von der Wiese genascht, regt sie die Verdauung an und bringt die Glieder in Schwung. Als Tee lindert sie Husten und Bronchitis. Ein Aufguss aus Vogelmiere kommt äußerlich als Umschlag oder Badezusatz zum Einsatz und wirkt wundheilend und kühlend bei vielen Hautproblemen wie Juckreiz, Ekzemen, Schuppenflechte und sogar Gerstenkörnern. Ein Breiumschlag aus zerquetschtem Kraut ist bei Hautproblemen ebenfalls lindernd.

Umschlag mit Vogelmiere: Bereiten Sie einen starken Tee zu. Übergießen Sie dafür 2 EL Vogelmiere mit 250 ml kochendem Wasser und lassen Sie den Aufguss 10 Minuten ziehen. Dann abseihen und auf Körpertemperatur abkühlen lassen, ein Baumwolltuch mit dem Sud tränken und auf die betroffene Hautstelle legen.

BRENNNESSEL – DIE KÖNIGIN DER HEILPFLANZEN

Wenn man weiß, was die Brennnessel alles kann, findet man sie gleich viel schöner: Sie spült die Harnwege durch, regt bei jungen Müttern den Milchfluss an, hemmt vielerlei Entzündungen und Schmerzen, lindert Hautausschläge, chronische Ekzeme sowie Haarausfall. Dank ihres hohen Eisengehaltes bereichert sie eine fleischlose Ernährung mit diesem wichtigen Spurenelement. Eine Drei-Wochen-Kur im Frühling kann einer Frühblüherallergie entgegenwirken. Die Helfer-Liste bietet für alle Altersklassen viel. Doch wie soll man schmerzfrei ernten? Greift man nur die obersten vier Blätter vorsichtig von unten mit Zeigefinger und Daumen (tiefer liegende Blätter enthalten zunehmend Nitrat), dann pikst es nicht. Am Anfang braucht es etwas Übung. Zum Gleich-Naschen mit den Fingern zerdrücken und kräftig rollen, dann dürfen die Blätter direkt in den Mund. Die gesammelten Exemplare werden getrocknet, gewalkt, blanchiert oder man schneidet sie klein, damit sie nicht mehr brennen. Gegessen werden Brennnesseln als Spinat, im Kräuteromelett, in Kräuterbutter, im Salat oder als Chips in Öl frittiert. Für einen Tee mindestens zehn Minuten köcheln, dann wird die gute Kieselsäure freigesetzt. Die zarten Frühlingsspitzen sind am gehaltvollsten, im Herbst aber kann man für eine knusprige Müslibeigabe die Samen ernten.   

Die wahrscheinlich gesündesten Chips überhaupt: Bratöl in die Pfanne, mit dem Holzlöffel die Hitze prüfen. Fürs Frittieren muss es heiß sein, darf aber nicht rauchen. Wenn sich kleine Bläschen am Kochlöffelstiel bilden, ist die Temperatur perfekt. Brennnesseln vorher nicht waschen, sonst werden sie nicht knusprig. Die Blätter komplett ins heiße Fett geben. Wenn sich die Ränder bräunen, vorsichtig mit zwei Gabeln wenden. Hitze ausstellen, die Restwärme reicht. Zum Abtropfen auf ein Papiertuch legen, bei Bedarf mit Salz und Pfeffer würzen und schon kann man sich die Knusperblätter schmecken lassen. Einige Vitamine gehen zwar verloren, doch viele weitere gute Stoffe bleiben erhalten.

GIERSCH – EIN UNIVERSALGENIE

Auch das vermeintliche „Unkraut“ Giersch bekämpfen Sie am besten, indem Sie die eisenreichen Wunderwerke aufessen. Typisch ist sein Geruch nach Petersilie und Möhre – und die Zahl Drei: Der Stängel ist im Querschnitt dreieckig, die Blätter sind dreigeteilt, an der Spitze findet sich meist eine Gruppe von drei Blättern. Deshalb wird er auch Geißfuß genannt. Ein weiterer Name ist Zipperleinskraut, weil er gegen unglaublich viele Beschwerden hilft, so auch bei Atemwegsinfekten, Blasenentzündung oder als Umschlag bei einer Verbrennung. Die jungen Blätter direkt naschen; ab Mai werden sie fester, da sollte man den Salat etwas länger marinieren. Pesto geht immer.

Wie wär‘s mit Giersch-Spinat? Eine Zwiebel und Knoblauch kurz andünsten, zwei Handvoll Gierschblätter dazu, bei kleiner Temperatur zusammenfallen lassen, mit Salz und Pfeffer würzen, mit einem Schuss Sahne verfeinern, dazu eine Prise Muskatnuss und etwas geriebene Zitronenschale. Passt gut zu Omelett oder als Füllung in Ravioli.

Und als Nachtisch Giersch-Knusper-Chips: Blätter mit Olivenöl, Salz, Pfeffer, Curry oder Chili mischen und 10 bis 15 Minuten in den Backofen bei 150 °C. Geht auch mit Brennnesseln. Guten Appetit!

LÖWENZAHN – NICHT NUR FÜR HASEN

Er ist fast überall zu finden und alles an ihm ist essbar, auch die Stiele. Die Blätter sind unregelmäßig grob gezähnt; die jungen zarten sind weniger bitter als ältere, wobei genau das Bittere das Blut reinigt, der Verdauung Schwung gibt, die Harnwege durchspült. Löwenzahn hat von allem Guten mehr als der gezüchtete Salat, dem er im Garten oft weichen muss. Die leuchtend gelben, nahezu honigsüßen Blüten beleben das Gemüt und geben auf einem Wochenendspaziergang einen aufmunternden Snack für lauffaule Kids ab. Sirup, Tee und Salaten spenden sie Aroma, im Salat sind sie zudem schöne Farbtupfer. Als Tee oder in der Gemüsepfanne stärken getrocknete Löwenzahnwurzeln auch im Winter Leber und Niere. Geröstet sind sie sogar als Kaffeeersatz nutzbar.

Wilde Kräuterbutter: Eine bunte Mischung Wildkräuter sammeln und abschütteln. Man kann sie waschen, verzichtet dann aber leider auf eine zusätzliche B12-Komponente. Kräuter klein schneiden und mit der Gabel unter die zimmerwarme Butter mischen, salzen und eventuell etwas Oliven- oder Leinöl dazugeben. Zusätzlich mit Gänseblümchen, Veilchen oder Löwenzahnblüten dekorieren.

Die meisten Kräuter sammelt man am besten an nicht zu heißen Tagen zwischen 10 und 16 Uhr, da haben sie Sonne getankt und Wirkstoffe entwickelt. Nicht an Auto- und Hundegassistrecken; nicht da, wo chemisch gedüngt wird. Niemals die ganze Pflanze ausreißen und immer nur so viel nehmen, wie man essen kann!  

Diese reichhaltigen und heilenden Kräfte schenkt uns die Schatzkammer Natur kostenlos. Begegnen wir ihr mit Respekt und Aufmerksamkeit. Vor unserer Tür wächst oft genau das, was wir brauchen. Die Indianer nennen die Wildkräuter „Verbündete aus dem grünen Volk“ und erzählen, dass man mit sieben Kräutern aus der Umgebung, zu denen man eine Beziehung aufbaut, praktisch alle Leiden heilen kann.

Ähnliche Beiträge, die Sie auch interessieren könnten