Viel online macht noch keine digitale Kompetenz

Von Eva Jobst
junger Lehrer mit 3 Schülern am Laptop

Auf der Straße, im Bus, in der Bahn, und natürlich zu Hause: überall sieht man Kinder und Jugendliche übers Handy gebeugt, offenbar ganz weit weg. Die kleinen Geräte sind – wie bei den Erwachsenen – zu ihren ständigen Begleitern geworden.

Das wird auch durch objektive Zahlen belegt: Fast die Hälfte aller Kinder zwischen 6 und 13 Jahren besitzt ein Handy, bei älteren Jugendlichen steigt die Zahl auf 96 Prozent. Hinzu kommt die Nutzung von Computern, mit denen mittlerweile 94 Prozent der Haushalte ausgestattet sind.
Wenn man jungen Leuten erzählt, dass früher der gesamte Alltag, die Schule, das Berufsleben, die Suche nach Informationen und die sozialen Kontakte ohne digitale Helfer organisiert wurden, erntet man großes Erstaunen. Wir habt ihr das nur gemacht? Ja, wie nur…
Ganz ehrlich, wir Erwachsenen können uns selbst kaum noch daran erinnern. Außer vielleicht daran, dass es trotzdem funktionierte.

Die Zeiten haben sich geändert und der kompetente Umgang mit digitalen Technologien ist heutzutage genauso wichtig wie die klassischen Kulturtechniken lesen, schreiben und rechnen.

Was versteht man unter digitaler Kompetenz?

Digitale Kompetenz ist zu einer der zentralen Kulturtechniken der Moderne geworden.
Dazu gehört nicht nur die Handhabung der Geräte (das können schon kleine Kinder ziemlich gut), sondern vor allem auch der souveräne, kritische und kreative Umgang mit den Kommunikations- und Informationsmedien. Das schließt Wissen über den Datenschutz und die Datensicherheit ebenso ein, wie soziale und ethische Kompetenzen (speziell auf Plattformen). Zur digitalen Kompetenz gehört auch die Fähigkeit, das Internet für kreatives Arbeiten zu nutzen. Für die Wissensaneignung ist es nicht nur wichtig, digitale Informationen zu finden, sondern sie auch beurteilen zu können, zu ordnen, zusammenzufassen und für weiterführende Aufgaben zu nutzen.
Inwieweit all diese Fähigkeiten beherrscht werden, ist Ausdruck der digitalen Kompetenz.

Wie ist der Stand bei Jugendlichen?

Das hat eine Studie des Nationalen Bildungspanels (NEPS) untersucht.
An ihr nahmen 14.000 Schülerinnen und Schüler aus neunten Klassen teil. Drei Jahre später, also als junge Erwachsene, wurden sie noch einmal befragt.
Das erstaunliche Ergebnis lautet: Viel digital unterwegs zu sein bedeutet nicht in jedem Fall, digitale Kompetenzen zu entwickeln.
Für dieses Resultat sorgen verschiedene Faktoren. Vor allem, erläutert Dr. Martin Senkbeil vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Universität Kiel, ist es die sogenannte „Nebenbeinutzung“, die die digitale Kompetenz torpedieren kann: „Soziale Online-Medien werden von den Jugendlichen häufig parallel zu schulischen Aufgaben genutzt. Dieses Multitasking beeinträchtigt jedoch Verstehens- und Lernprozesse, und im Ergebnis sehen wir insgesamt geringere Kompetenzen.“

Entgegen weitläufig verbreiteter Annahmen unterscheiden sich Mädchen und Jungen nicht stark in ihrer digitalen Kompetenz, lautet ein weiteres Fazit der Studie. Obwohl sich im Verlauf des Jugendalters bis zum Alter von 18 Jahren leichte Geschlechtsunterschiede zu Ungunsten von Mädchen herausbilden, erscheinen diese vergleichsweise gering. Allerdings schätzen männliche Jugendliche ihre eigenen Fähigkeiten im Umgang mit den Informationstechnologien systematisch höher ein.

Wer glaubt wem was?
Internet
Im Netz sind Quelle, Qualität und Intention von Informationen und Inhalten nicht ohne Weiteres festzustellen. In einer Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet wird deutlich, dass fast die Hälfte der befragten Jugendlichen davon ausgeht, dass Suchmaschinenergebnisse die ganz oben stehen, auch die verlässlichsten sind, ja, sie verstehen die Platzierung sogar als Qualitätsmerkmal. Das ist leider ein weit verbreiteter Irrtum, nicht nur unter jungen Menschen. Sie wissen zum Teil nicht, dass die Rangfolge der Suchergebnisse auch vom Budget für die Suchmaschinenoptimierung abhängt.
Fast ein Viertel der Befragten glaubt zudem, dass die Abwesenheit von Werbung auf einer Internetseite auf deren Sicherheit hinweist.

Was tun?

Die Verfasser der Studie regen an, gezielt daran zu arbeiten, die Vermittlung anspruchsvoller Fertigkeiten der Informationsbeschaffung zum festen Bestandteil des Fachunterrichts zu machen. Schülerinnen und Schüler sollen beispielsweise lernen, wie sie Informationen gezielt online recherchieren und angeleitet werden, diese Informationen zu beurteilen, weiterzuverarbeiten und zu präsentieren. Auf diese Weise können sie auch ihre Fähigkeiten in komplexem Denken und Problemlösen trainieren.

Damit sollte nach Auffassung der Studienautoren bereits in der Grundschule begonnen werden. Voraussetzung ist dafür jedoch eine gezielte Schulung der Lehrkräfte, an der es oft noch hapert.

Aber auch Eltern können einen wichtigen Beitrag bei der Entwicklung digitaler Kompetenzen leisten. Sie sollten als wichtige Lotsen durchs Internet fungieren. Das wird dadurch erleichtert, dass sich laut einer Umfrage 93 Prozent aller Kinder im Grundschulalter bei Fragen rund ums Internet an die Eltern wenden. Gemeinsames Lernen erweist sich dabei als die optimale Herangehensweise. Jugendliche hingegen tauschen sich eher untereinander aus.
Und es zeigt sich: In Sachen digitale Kompetenz können im Austausch auch die Erwachsenen noch viel lernen!

Mehr zum Thema:
www.scoyo.de
Die Lernplattform Scoyo wurde 2007 zusammen mit dem Schulbuchverlag Cornelsen, Lehrkräften und Spieleexperten entwickelt. Auch die Universitäten Hamburg, Lüneburg und Essen sowie das Learning Lab waren daran beteiligt.
Unter dem Menüpunkt „Kinder und Medien“ gibt es viele Anregungen, wie man auf spielerische Weise digitale Kernkompetenzen trainieren kann.

www.schau-hin.info  
„SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“ ist eine Initiative, die unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den beiden öffentlich-rechtlichen Sendern Das Erste und ZDF sowie der AOK und vielen weiteren Partnern unterstützt wird. Unter anderem können sich Eltern für kostenlose Medienkurse – gestaffelt nach Altersgruppen – anmelden.


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