Haustiere in Social Media – lustig oder leidvoll?

Von Eva Jobst

„Kinder und Tiere geben nie ’ne Viere“ – so lautet ein alter Spruch von Film- und Fernsehleuten. Er besagt: Beiträge mit niedlichen Kindern oder putzigen Tieren sorgen für Quote, ganz gleich, ob viel Mühe investiert wurde.
Diese Binsenweisheit hat es auch in die sozialen Medien geschafft und sorgt dort für Klicks.

Influencer, die Tiere vorstellen oder mit ihnen etwas tun, erreichen viele Zugriffe – und verdienen damit Geld.
Ganz gleich ob auf TikTok oder Instagram, YouTube oder Facebook: Tiervideos gehören zum Standardrepertoire.
Neben vielen Videos, die gute Tipps für Tierhalter bereithalten, gibt es unzählige Clips mit nur vermeintlich lustigen Inhalten. Denn: Worüber man beim Betrachten lachen soll – dahinter versteckt sich oft Tierleid.
 

Tiervideos mit Blick auf Tierwohl und Schutz der Lieblinge

Das Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover hat ein Projekt mit dem Titel „Umgang mit Haustieren in den sozialen Medien“ gestartet.

Forschungsleiterin Dr. Michaela Fels ist Fachtierärztin für Tierschutzkunde und Tierverhalten.
Sie erzählt, im Jahr 2020 war man auf der Suche nach einem relevanten modernen Thema für die Facharztausbildung. Bei der Recherche haben sich die Beteiligten im Internet umgesehen. „Wir waren erstaunt und schockiert, wie in Videos Tiere benutzt werden, um Klicks zu generieren“, sagt sie.
Erste Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Der praktische Tierarzt veröffentlicht.
Und es stellte sich die Frage: Wie kann man diesem Trend entgegenwirken?

Alina Stumpf. Foto privat Tierwohl
Alina Stumpf (Foto privat)

Seit 2022 wird das Projekt vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und der VolkswagenStiftung gefördert.
Alina Stumpf hatte zu diesem Zeitpunkt gerade ihr Studium beendet. Die junge Tierärztin befand: „Dies ist das Thema für meine Doktorarbeit!“ – und wurde so zur zweiten Forschungsleiterin. Im Herbst 2022 stellten die beiden Frauen erste Forschungsergebnisse vor.


Den Blick für Tierleid schärfen

Unzählige Tiervideos hatten sie zu diesem Zeitpunkt bereits analysiert. Dank des professionellen Blicks können Fels und Stumpf genau sehen, ob es sich um Tierquälerei handelt.
Besonders drei Aspekte sprechen dafür:
Tiere werden vermenschlicht, ihnen werden Kleidchen angezogen und sie werden in unnatürliche Körperhaltungen gebracht.
Oder im Internet werden sogenannte Challenges gezeigt, in denen die Tiere zu unnatürlichen Handlungen gezwungen werden.
Auch Qualzuchten sind ein Thema, wenn zum Beispiel Nacktkatzen oder Hunde mit verkürzten Schädeln, die sie „niedlicher“ machen, als Ideal vorgestellt werden.           

In einer Umfrage wollten die Forschungsleiterinnen wissen, ob und wie solche Videos wahrgenommen werden. Mehr als 3 000 Menschen nahmen daran teil.
Etwa zwei Drittel gaben an, nicht aktiv nach Tiervideos gesucht zu haben, sie erhielten sie per Link von Bekannten oder bekamen sie von der jeweiligen Plattform angeboten.
Erschreckend: Die Betrachter fanden sie „lustig“ und erkannten das Tierleid oft nicht. Und das waren Erwachsene! Wie viel unreflektierter dürften Kinder auf diese Filme reagieren?  Wie also damit umgehen?

Aufklärung tut not

Da gibt es zunächst die Möglichkeit, solche Videos als „Misshandlung von Tieren“ der Plattform zu melden, damit diese sie aus ihrem Angebot entfernt. Doch dies ist nicht allzu Erfolg versprechend. Die Quelle ist ohnehin oft schwer zu finden, denn die Filme werden immer wieder kopiert und neu zusammengeschnitten.
„Darüber hinaus lehrt die Erfahrung, dass in vielen Fällen Videos gemeldet wurden und trotzdem nichts passiert“, sagt Alina Stumpf.

Sie rät dringend davon ab, Kommentare zu hinterlassen. Denn selbst wenn es ein kritischer Kommentar ist: Die Aktivität des Nutzers sorgt dafür, dass der Inhalt immer weiter vorgeschlagen wird.   

Dr. Michaela Fels und Alina Stumpf setzen stattdessen auf Aufklärung.
Für Eltern bedeutet das: Sie sollten die Videos, an denen ihre Kinder Spaß haben, mit ihnen gemeinsam anschauen und genau hinterfragen:

Wie fühlt es sich an, wenn ich mich in die Lage des Tieres versetze?
Das ist der beste Weg, um Kinder für die Situation der dargestellten Tiere zu sensibilisieren.

Auf Insta lernen, wie es besser geht

„Kein Like für Tierleid“ ist der griffige Claim des Kanals von tierschutz.socialmedia, den Alina Stumpf für die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover betreut. Dort sind viele Tipps zum Umgang mit Tiervideos zu finden, die es leichter machen, verstecktes Tierleid zu erkennen.

Es wird zum Beispiel erklärt, warum Katzen aggressiv werden: Oft ist die Ursache ein falscher Umgang – doch eine Katze sendet viele Signale, ehe sie angreift, kratzt und beißt. Der Beitrag hilft, sie zu erkennen und zu verstehen.

Es wird gezeigt, wie ein kleiner Junge einen Hund bedrängt und die Frage gestellt: Fühlt sich der Hund dabei wohl?

Es geht um das Fluchttier Meerschweinchen, das beim Kuscheln vor Angst – und nicht vor Wohlbehagen! – in Starre verfällt.

Kostüme sind uncool

Auch das Kostümieren von Haustieren ist ein wichtiges Thema. Es ist nicht nur respektlos, sondern kann Hautirritationen, Schmerzen oder Fehlhaltungen hervorrufen.
Nicht zuletzt spielen auch der illegale Welpenhandel und Qualzuchten eine Rolle. Mit denen wird viel Geld verdient, für die Tiere bedeuten sie jedoch Leid und Schmerz.
Der Kanal ist so gestaltet, dass er sowohl Erwachsenen als auch Kindern eine Hilfe sein kann, eine fundierte Meinung zu Tiervideos zu entwickeln. 

Die Tierärztinnen Dr. Michaela Fels (Besitzerin von drei Meerschweinchen) und Alina Stumpf (sie hat einen Hund) arbeiten im Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover.
Sie sind Forschungsleiterinnen des Projekts „Umgang mit Haustieren in den sozialen Medien“.
Ein Ergebnis ihrer Arbeit ist der Instagram-Kanal tierschutz.socialmedia. Der Hashtag #keinlikefürtierleid führt nicht nur dorthin, sondern auch zu vielen artverwandten Postings.

Logo Kein Like für Tierleid (@tierschutz.socialmedia)
Logo Kein Like für Tierleid (@tierschutz.socialmedia)

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