Tabuthema Tod

Von Jana Olsen

Engel
Engel

Egal ob ein toter Käfer die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ein Haustier stirbt, oder Oma plötzlich nicht mehr da ist – Kinder begegnen dem Tod auf vielfältige Weise. Und haben viele Fragen. Wie geht man als Erwachsener damit um? Fakt ist: Tod und Trauer gehören zum Leben. Auch zum Leben von Kindern.

Wie bringe ich das nur den Kindern bei?“, fragt sich eine junge Mutter, als sie die tote Katze der Familie traurig und behutsam in eine Kiste mit Stroh legt. Als ihre Kinder dazu kommen, wirft die Jüngste, gerade fünf Jahre alt, einen kurzen Blick auf die tote Katze und sagt bestimmt: „Morgen kaufen wir uns eine neue Katze, okay, Mama? Sie soll aber diesmal weiße Pfoten haben!“ Können Kinder etwa nicht trauern?, fragt sich ihre Mutter.

KINDER TRAUERN ANDERS

„Natürlich trauern Kinder“, sagt Beate Müller. Sie leitet die Kindertrauergruppe am Hospizium Leipzig: „Aber Kinder trauern anders. Das führt oft zu Irritationen.“ So versuchen Kinder, ihre Eltern zu schützen, nach dem Motto: „Ich darf jetzt nicht traurig sein, weil Mama schon traurig ist.“ Kinder passen sich an, ihre Trauer bahnt sich verschiedene Wege. Manche versuchen, extra lustig zu sein, manche werden aggressiv, andere ziehen sich völlig zurück und hören auf zu sprechen. Trauer ist etwas sehr Individuelles. Anders als Erwachsene brauchen Kinder auch trauerfreie Zonen. Und je jünger die Kinder sind, desto mehr leben sie im Hier und Jetzt. „Kinder brauchen auch im Trauerfall Normalität und Alltag, weil es ihnen guttut. Viele wissen das nicht oder deuten es falsch.“

OFFEN UND EHRLICH SEIN

Nach dem Tod eines nahen Angehörigen sind Eltern zudem oft hilflos und mit sich beschäftigt. Kinder geraten dabei schnell in den Hintergrund. „Die wenigsten fragen die Kinder ‚Was brauchst du?‘, ‚Wie geht’s dir?‘“, berichtet die gelernte Kinderkrankenschwester Beate Müller. Seit zehn Jahren begleitet sie im Hospiz trauernde Kinder und ihre Eltern. Auch wenn die Erwachsenen ihre Kinder häufig vor solchen traurigen Ereignissen beschützen wollen, sei es wichtig, mit Kindern jeden Alters offen und ehrlich zu besprechen, was passiert ist. „Manche sagen, die verstorbene Oma sei länger weggefahren. Das sollte man nicht machen.“ Denn Kinder haben ganz feine Antennen. Selbst ein 2-Jähriger, der zwar noch nicht versteht, was Tod bedeutet, spürt, dass etwas anders ist. Er spürt, dass seine Eltern traurig sind, dass sie nicht mehr authentisch sind. „Ich kann Eltern hier nur bestärken, klar zu sein und die Dinge auszusprechen.“ Selbst mit Formulierungen wie „Oma ist für immer eingeschlafen“ sollte man vorsichtig sein. Denn womöglich haben Kinder dann beim abendlichen Einschlafen Angst, nie wieder aufzuwachen.

KINDER ZUR BEERDIGUNG?

Wenn eine geliebte Person aus der Familie oder dem Freundeskreis stirbt, steht oft die Frage im Raum, ob Kinder mit auf die Beerdigung sollen. Oder ob man ihnen das traurige Ereignis lieber erspart. Beate Müller weiß aus jahrelanger Erfahrung: „Auch ein 5-Jähriger soll sich vom toten Vater verabschieden dürfen. Es ist ein wichtiges Erlebnis. Es entsteht sonst eine Lücke, die einen ein Leben lang begleitet.“ Allerdings sollte man Kinder auf ein solches Ereignis gut vorbereiten. Denn eine Trauerfeier ist kein einfacher Gang. Im Vorfeld ist es wichtig, Begriffe wie „herzliches Beileid“ zu erklären, über die Form und den Ablauf der Beerdigung zu sprechen. Auch wenn das viel Kraft kostet. „Kinder und Jugendliche sind offener für das Thema, als wir denken“, erzählt Beate Müller, die mit ihrem Team auch an Schulen geht, beispielsweise wenn ein Mitschüler gestorben ist. Sie bestärken Kinder und Lehrer, darüber zu sprechen. „Im Fall eines verstorbenen Grundschülers haben die Kinder einmal ganz allein Ideen für ein schönes Abschiedsritual gesammelt und sind auch als Klasse geschlossen zur Beerdigung gegangen.“

GEMEINSAM TRAUERN

Vielfach gerät mit dem Tod eines nahen Angehörigen das ganze Familiensystem ins Wanken, kommen ein Umzug oder Geldsorgen dazu. Beate Müller hat immer wieder die Erfahrung gemacht, dass eine Kindertrauergruppe Kindern und Eltern hilft, mit dieser Situation umzugehen. In die Gruppe kommen Kinder zwischen 6 und 13 Jahren, die einen nahen Angehörigen, also Mutter, Vater oder Geschwister verloren haben. Im geschützten Raum basteln sie Erinnerungskisten oder Filzbälle mit versteckten Wünschen und erfahren vor allem eins: Ich bin nicht allein. Die Kinder lernen, ihre Gefühle zu verstehen und anzunehmen. Die Eltern können sich in der Zwischenzeit im Elterncafé austauschen. Und wer denkt, in einer Trauergruppe darf nicht gelacht werden, der irrt: „Wir haben auch viel Spaß zusammen, machen Quatsch, essen, trinken. Denn eins darf man nicht vergessen: Trauerarbeit ist Schwerstarbeit. Das kostet unglaublich viel Kraft.“

Präventionsprojekt für Kitas
Mit dem Präventionsprojekt „Juna und Norwin reisen durch das Leben“ lernen Vorschulkinder den Tod als natürlichen Teil des Lebenskreises begreifen. Der Kurs des Hospiziums Leipzig findet an sechs Vormittagen statt, schließt einen Elternabend ein und ist bis auf einen Unkostenbeitrag für die Arbeitsmaterialien kostenfrei.

Kontakt:
hospizium-kinder@ifb-stiftung.de oder www.hospizium-leipzig.de

Chat für trauernde Jugendliche

klartext-trauer.de
Die Website „Klartext!“ richtet sich an trauernde Jugendliche. Im Chat und am Sorgentelefon stehen drei Mal wöchentlich Mitarbeiter des Kinder- und Jugendhospizes Balthasar in Olpe als Ansprechpartner zur Verfügung. Hier können Jugendliche in einem geschützten Raum Fragen und Probleme offen und anonym ansprechen.
Chat und Sorgentelefon (0800-5892125) sind jeweils Montag, Mittwoch und
Donnerstag von 17 bis 20 Uhr freigeschaltet.

doch-etwas-bleibt.de
Der Chatraum für trauernde Jugendliche wird ehrenamtlich von jungen Leuten betreut, die selbst Trauererfahrungen gemacht und einen geliebten Menschen verloren haben. Der Chatraum ist ein Angebot vom Hospiz Bedburg-Bergheim und ist jeden Montag von 20 bis 22 Uhr geöffnet.

Ähnliche Beiträge, die Sie auch interessieren könnten