Mit Kindern die Raunächte zelebrieren

Von Susan Künzel
‚Mittelalter Weihnacht‘ im Stallhof des Schlosses in Dresden (©Sylvio Dittrich)

12 Nächte und 13 Herzenswünsche
In der Weihnachtszeit zu räuchern ist ein weit verbreiteter Brauch – mit duftenden Räucherkerzen im Bauch hölzerner Räuchermänner. Etwas mehr Magie rankt sich um die Raunächte, die bald anbrechen. Da gibt es viele Geschichten, Rituale und Bräuche. Einen schönen und einfach zu handhabenden Brauch mit Herzenswünschen, der auch Kindern Freude macht, stellen wir hier vor.

Geräuchert wurde schon immer: mit dem „Raachermannl“ zur Weihnachtszeit, mit Weihrauch in der Kirche, Räucherwerk diente dem Überdecken übler Dünste oder Beseitigen von Krankheiten, gar zum Mumifizieren, vor allem aber für spirituelle Zwecke – als flüchtiger Mittler zwischen Himmel und Erde. Die Raunächte sind vor allem eine Zeit der inneren Einkehr, Ruhe und Ausrichtung auf das neue Jahr.

Die richtige Zeit

Die Raunächte und ihre Räucherrituale gewinnen seit einigen Jahren an Zuspruch, haben aber eine bereits Jahrhunderte alte Tradition. Die Gebräuche sind jedoch wie auch der Zeitpunkt regional unterschiedlich. Mancherorts lässt man sie bereits zur Wintersonnenwende, der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember, beginnen. Gebräuchlicher ist der Zeitraum vom 25. Dezember bis zum 6. Januar. Wichtig ist aber ist in jedem Fall die magische Zwölf – die Raunächte dauern genau zwölf Tage.

Rauhe Nächte oder Raue Nächte
Für die Herkunft des Wortes gibt es viele Erklärungen. Rauh könnte vom alten Wort rüch abstammen, das bedeutet haarig. Beides – rauh und rüch – bezieht sich auf Rauh- oder Rauchware, was Pelze und damit sich herumtreibende pelzige Unwesen und Dämonen bezeichnet. Andererseits lässt Rauh eben auch an Rauch wie Räuchern denken; schon vor hunderten Jahren wurden traditionell die Ställe gegen Teufel und Gespenster geräuchert. In ähnlichem Sinne steht rau für raue Geister, die ihr Unwesen treiben.

Historisch betrachtet

Ihren Ursprung haben die Raunächte vermutlich in der germanisch-keltischen Mythologie. Dort unterschied man zwischen dem Sonnenjahr mit 365 Tagen und dem Mondjahr mit 12 Mondzyklen à 29,5 Tagen. Daraus ergibt sich eine Differenz von 11 Tagen und 12 Nächten. Diese zwölf Nächte ergaben eine Art „Zwischenzeit“, die eine besondere Energie mitbringt. Und eine Funktion: Jeder Tag steht für die Energie eines Monats des Folgejahres. Und womöglich auch fürs Wetter.

Im christlichen Glauben sind diese Tage die Weihnachtstage zwischen Jesu Geburt und dem Erscheinen der Heiligen Drei Könige. Gott war in dieser stillen Zeit den Menschen besonders nah, er schickte Träume und griff lenkend ein. Erst mit dem Erscheinen der Heiligen Drei Könige kam Jesus sozusagen vollständig in der Welt an.

Hier wie da zeigen sich in dieser Zeit „zwischen den Jahren“ intensive Verbindungen zwischen der menschlichen und der geistigen Welt. So suchen manche Menschen Kontakt zu ihrer Seele oder zu den Ahnen. Manche wollen Geister austreiben, andere sich einfach nur Licht einladen.Verbreitet ist das Orakeln, beispielsweise durch Deuten der Träume oder mittels Blei- beziehungsweise Wachsgießen.

5 Tipps für ein Raunächte-Ritual

Seit Jahren zelebriere ich diese Zeit mit meinen Kindern auf die gleiche Weise. Unterdessen eine schöne Tradition, die auch noch einen ganz praktischen Aspekt hat.

1 – Ordnen und Vorbereiten
Los geht’s mit einer Art „Ordnungstherapie“. Bis zum 21. Dezember werden alle Dinge geordnet, die Wohnung wird gemeinsam aufgeräumt und geputzt, Rechnungen werden beglichen und Geborgtes zurückgegeben. Das ist gut für das eigene Wohlbefinden und das der Familienmitglieder. Außerdem mindert es den Stress der Folgetage, Ruhe kann einkehren. Wie im Außen so auch innen. Das ist sozusagen der ganz praktische Ritualteil.
Gebraucht werden zudem: für jedes Familienmitglied 13 Zettelchen – alle gleich groß und in gleicher Farbe, ein größeres Räucherschälchen oder ein anderes hitzeunempfindliches Gefäß, eine Räucherzange oder Pinzette.

2 – Gemeinsame Herzenszeit
Nach dem Aufräumen und vor dem 24. Dezember setzt sich die Familie gemütlich zusammen und tauscht sich darüber aus, was toll war im fast vergangenen Jahr, was man so oder so ähnlich wieder möchte und was nicht, was man besonders liebt, wofür man dankbar ist, was ansteht, was man sich wünscht. Solch ein gemeinsamer Draufblick offenbart den Eltern die oft ganz besonderen Sichtweisen der Kinder. Sich Zeit nehmen, intensive Wahrnehmung des anderen, das genaue Hinhören sind kostbare „Familien-Bindemittel“. Sie ermöglichen Dankbarkeit, geben Sicherheit und Liebe.

3 – Wünsche aufschreiben
Nun überlegt sich jedes Familienmitglied ganz für sich 13 Herzenswünsche. Was ist mir besonders wichtig? Was möchte ich haben? Was würde mein Leben leichter machen? Die Wünsche werden immer positiv formuliert und so, als ob es schon so sei. Ohne das Wörtchen ‚nicht‘. Und nur für sich selbst. Zum Beispiel: Ich bin gesund. Ich bestehe meine xy-Prüfung. Nicht: Ich werde gesund sein. Ich will nicht (mehr) dies oder das.
Jeder schreibt seine 13 Wünsche jeweils auf ein Zettelchen. Allein für sich, die Wünsche werden nicht mitgeteilt. Kleine Kinder können sie in Bildern ausdrücken. Das Universum versteht das. Die Zettel werden mit der Schrift nach innen gefaltet, alle in gleicher Weise. Jedes Familienmitglied legt seine gefalteten Zettelchen in ein eigenes, verschließbares Gefäß und kennzeichnet es mit einem Band oder einem Aufkleber.

4 – Wünsche dem Feuer übergeben
Ab dem 25.12. wird jeden Abend bei Einbruch der Dunkelheit im Kreise der Familie eine Kerze angezündet und eine Minute dem Licht geschenkt. Jeder zieht eines seiner gefalteten Zettelchen aus seinem Gefäß. Es wird nicht auseinandergefaltet, nicht angeschaut! Jeder hält mit der Zange oder einer Pinzette das geschlossene Wunschzettelchen kurz über die Kerze und legt es zum Abbrennen in das feuerfeste Gefäß. (Feuerschutz beachten, gerne auch im Garten, auf dem Balkon …) Nun beobachtet man, wie die Zettel verbrennen, wie die Flamme und der Rauch aussehen, lässt den Gedanken dazu freien Lauf. Lauscht den Kindern. Am Ende soll die Asche der Erde übergeben werden und ein Dankeschön dazu.

Mit diesem Prozedere übergibt man den Wunsch ans Universum. Der Rauch trägt ihn nach oben, die Asche nährt die Erde. Mit der Kraft des Himmels und der Erde wird im jeweiligen Monat des Folgejahres der Wunsch in Erfüllung gehen. Nun gilt es, zu vertrauen.

5 – Der besondere 13. Wunsch
Auf die zwölf Raunächte folgt der 6.1., und es ist noch ein Zettelchen im Gefäß. Das darf nun gelesen werden. Und um diesen Wunsch muss sich jeder selbst kümmern! Das Universum braucht schon auch unser Zutun.
Insofern sollte man bei jedem Wunsch vorab bedenken, ob man ihn sich selbst erfüllen könnte, falls es der 13. werden sollte.

Dresdner Rauhnächte
Hier haben wir es wieder: Rau- oder Rauhnächte? Die Dresdner mögen es mit H. Seit etlichen Jahren gibt es die Dresdner Rauhnächte im Stallhof. Vom 27. bis 30. 12. 2023 und vom 2. bis 6. Januar 2024 erwarten die Besucher Musik, Handwerk und Leckereien im Stallhof.

Möchte man die Raunächte umfänglicher und ritueller begehen, lohnt es, sich eingehender damit zu beschäftigen. Jede einzelne Raunacht steht für ein eigenes Thema wie Dankbarkeit, innere Führung, Loslassen, Neubeginn, Vertrauen, etc. Man setzt sich mit diesem Thema gedanklich auseinander und räuchert mit Kräutern oder Harzen, die das Thema unterstützen und entspannen oder ankurbeln, für Klarheit oder für Wärme sorgen. Räucherklassiker sind Weihrauch, Salbei, Beifuß, Myrrhe, Kampfer, Lavendel, Rosmarin, Wacholder, Zedernholz.

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