Keuchhusten, Windpocken & Co – Impflücken und ihre Folgen

Von Dirk Heinemann
Keuchhusten bei Erwachsenen wird oft erst spät erkannt. Dabei kann die Krankheit gefährliche Folgen haben.

Krampfartiger Husten und keuchende Atemgeräusche gaben der Erkrankung ihren Namen: Keuchhusten. Die vermeintliche Kinderkrankheit ist eine hoch ansteckende bakterielle Infektion, die auch Erwachsenen gefährlich werden kann, wie die Geschichte einer jungen Leipzigerin zeigt.

Anfangs sah es aus wie ein harmloser Erkältungshusten. Doch über Stunden andauernde schwere Hustenanfälle, Atemnot und wochenlange Abgeschlagenheit veränderten das Bild dramatisch.

Ich bin teilweise auf allen Vieren durch die Wohnung gekrochen. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Angst vorm Sterben. Und Angst um die Zukunft meiner kleinen Tochter.

So schildert es eine alleinerziehende Mutter aus Leipzig. Wir nennen sie Sarah. Sarah ist kein Einzelfall – im Gegenteil. Dank des guten Impfschutzes in Deutschland fühlen sich viele sicher. Das kann trügerisch sein. Allein bis zum Herbst 2016 wurden hierzulande fast 7.000 Mal Keuchhusten und rund 16.000 Mal Windpocken diagnostiziert – zum Teil mit lebensbedrohlichen Verläufen oder irreparablen Folgeschäden. Und 2015 schwappte eine Masernwelle durch einige Großstädte.

GEFÄHRLICHE IMPFLÜCKEN

Laut Robert-Koch-Institut ist der Anstieg schwerer Infektionserkrankungen vor allem in den neuen Bundesländern zu verzeichnen. Und das schon seit der Deutschen Einheit. Als Ursache kommen vor allem Impflücken in Betracht. Denn allesamt sind es Krankheiten, die sich mit einer Durchimpfung der Bevölkerung vermeiden und im Idealfall sogar ausrotten ließen. Doch seit dem Ende der DDR gibt es keine Impfpflicht mehr. Impfungen gehören heute im gesamten Bundesgebiet zur freiwilligen Vorsorge. „Nach ihrer Geburt habe ich meine Tochter impfen lassen, auch gegen Keuchhusten. Bei der Gelegenheit ließ ich meinen eigenen Impfschutz aus DDR Zeiten auffrischen.“ Sarah wähnt sich und ihr heute 6-jähriges Kind in Sicherheit. Doch im Sommer 2016 erwischt es die junge Frau dennoch. Irgendwie und irgendwo steckt sie sich an. Als sie sich mit schwerem Husten beim Hausarzt vorstellt, schließt er Keuchhusten aus, denn Sarah ist ja geimpft. Doch auch eine Impfung bietet keinen hundertprozentigen Schutz – allerdings ist der Verlauf dann zumindest nicht so kritisch und keinesfalls lebensgefährlich.
„Bis zu vier Stunden dauerten die Hustenanfälle, vor allem nachts. Ich habe mich gekrümmt vor Schmerz, kaum noch Luft bekommen und Magensaft erbrochen.“ Ihr Gesamtzustand verschlechtert sich dramatisch. Nach über einem Monat sucht sie einen zweiten Arzt auf.

KEINE LEICHTE DIAGNOSE

Dort ergeben Untersuchungen, dass auch Keuchhusten nicht ausgeschlossen werden kann. Leider kann es passieren, dass der Nachweis schwierig ist, denn die Keuchhustenerreger sterben bei Austrocknung und Kälte leicht ab. So kann es manchmal sein, dass die Laboranalysen keine eindeutigen Anhaltspunkte liefern. Außerdem liegt der vermutete Infektionszeitpunkt oft schon Wochen zurück, was die Befunderhebung zusätzlich erschwert. Aber im Zusammenhang mit Sarahs Beschwerdebild steht für den Arzt fest, dass Keuchhusten vorliegt. Da ihr Immunsystem inzwischen völlig „am Boden liegt“, gesellt sich aber einige Tage später hohes Fieber dazu. Außerdem klagt sie über Herzschmerzen und einer Art Versteifung des Brustkorbs. Sarah hat das Gefühl, dass sie trotz tiefen Ein- und Ausatmens unter Sauerstoffmangel leidet. Sie sucht erneut den Arzt auf und kann nicht fassen, was er feststellt: Lungenentzündung! Das ist die mögliche Zuspitzung eines verschleppten Keuchhustens. Weitere Keime haben dann leichtes Spiel.

SCHWERWIEGENDE FOLGEERKRANKUNGEN

Sarahs Beispiel zeigt, wie gefährlich Folgeerkrankungen sein können. Auch von anderen schweren Infektionen ist bekannt, dass im weiteren Verlauf sogenannte Superinfektionen möglich sind. Für Masernpatienten besteht zum Beispiel die zusätzliche Gefahr von Durchfallerkrankungen, Mittelohrentzündungen oder sogar bleibenden Nervenschäden. Die Folge von Windpocken können Hirnhautentzündungen, gefährliche Gefäßveränderungen oder eine Blutvergiftung (Sepsis) sein. Und durch eine Virusgrippe (Influenza) entstehen nicht selten Entzündungen, die den Herzmuskel angreifen und zu einer lebensbedrohlichen Herzmuskelschwäche führen. Sarahs Genesung dauert sieben Wochen. Rechnet man die Zeit dazu, in der sie sich ohne Befund und unbehandelt mit dem Keuchhusten plagte, war sie insgesamt fast drei Monate krank. „Auch jetzt ist noch nicht alles in Ordnung. Beim Sprechen muss ich mehr Atempausen machen als früher.“

EINE IMPFUNG NUTZT IN JEDEM FALL

Sarah hat ihren Hausarzt übrigens darüber informiert, dass er mit dem Ausschluss der Diagnose Keuchhusten falsch lag. Er hat sich dafür bedankt und sie darin unterstützt, dass dieser Artikel entstehen konnte. Denn Ärzte und Patienten müssen dafür sensibilisiert werden, dass auch Geimpfte erkranken. Sarah wäre aufgrund ihres Impfschutzes bei rechtzeitiger Behandlung des Keuchhustens nicht so schwer erkrankt. Vor allem wäre ihr die Lungenentzündung erspart geblieben. Sarah ist trotzdem froh, dass sie und ihr Kind geimpft sind. Sonst hätte sie auf alle Fälle auch ihre kleine Tochter angesteckt. Und wenn es keine Impflücken gäbe, hätte das Bakterium keine Chance. Dann wäre auch sie selbst niemals an Keuchhusten erkrankt.

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