Früh handeln, statt spät behandeln: Wie das Projekt „MindBody“ Jugendliche stark macht
Von M.A. Linda Klink, M.A. Lisa Irmscher, Prof. Dr. Stefan Ehrlich
Essstörungen sind verhältnismäßig seltene, aber schwere psychische Erkrankungen mit potenziell lebensbedrohlichen körperlichen Folgen. Die Anzahl Erkrankter steigt bereits seit Jahren an, jedoch ist die Versorgungslage in Sachsen und anderen neuen Bundesländern prekär.
Oft beträgt die Wartezeit nur für ein Vorgespräch für einen Therapieplatz mehrere Monate und niedrigschwellige Angebote, die bereits bei ersten Symptomen ansetzen, existieren kaum. Um dazu beizutragen, diese Versorgungslücke zu schließen, wurde bereits 2016 das Netzwerk Essstörungen Sachsen (NESSA) gegründet. Ziel ist es, ein Netzwerk von Fachkräften aufzubauen und Weiterbildungsmöglichkeiten für diese anzubieten. Das Netzwerk unterstützt zudem Eltern, Betroffene und Fachkräfte dabei, geeignete Anlaufstellen und Beratungsangebote in Sachsen zu finden.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Präventionsarbeit im Rahmen des Projekts „MindBody“.
WORKSHOPS AB KLASSE 7
Die Expertinnen von NESSA bieten ab der siebten Klasse Workshops in ganz Sachsen an. Meistens finden diese an Schulen statt, aber auch Vereine, Jugendtreffs und andere Einrichtungen zeigten bislang großes Interesse. Die Workshop‐Inhalte basieren auf positiver Psychologie – also auf der gezielten Stärkung von Schutzfaktoren. Themen wie positives Körpergefühl, Emotionsregulation, Umgang mit Schönheitsidealen und Social Media stehen im Mittelpunkt von „MindBody“. Ziel ist es nicht, über Krankheitssymptome aufzuklären ‐ da dies negative Effekte haben oder sogar zur Nachahmung führen kann – sondern die persönliche Resilienz und Selbstwahrnehmung zu fördern.
„Ich fand es sehr toll, zu lernen, worauf ich achten kann, dass ich in keine Essstörung reinrutsche.“ – Rückmeldung eines Teilnehmers
VARIABLES MODULSYSTEM
Je nach Bedarf können die Einrichtungen einen Themenschwerpunkt wählen, da die Inhalte modular aufgebaut sind. Dabei hat sich ein Werkstattmodell bewährt: Nach einem kurzen thematischen Einstieg in der Großgruppe arbeiten die Jugendlichen in Kleingruppen an selbstgewählten Stationen. Dabei können sie eigene Schwerpunkte setzen und individuell in das Thema eintauchen. Die Workshops werden kontinuierlich überarbeitet und an neue Bedarfe angepasst. Seit 2023 fließen Rückmeldungen aus der Evaluation regelmäßig in die Weiterentwicklung der Materialien ein, um besser auf unterschiedliche Altersgruppen, Schulformen und thematische Schwerpunkte eingehen zu können.
Dank der positiven Rückmeldungen und des hohen Interesses wurden bereits zahlreiche Workshops 2025 vereinbart, durchgeführt und für 2026 angefragt. Ziel ist es, dass möglichst viele Jugendliche von den Inhalten von „MindBody“ profitieren und langfristig die Materialien so aufzubereiten, dass Lehrkräfte sowie Trainerinnen und Trainer die Module eigenständig nutzen können.
„Ich fand es gut, dass es überhaupt solche Projekte gibt.“ – Rückmeldung einer Schülerin
Die Nachfrage bestätigt: Frühzeitige, stärkenorientierte Prävention ist nicht nur wirksam – sie wird auch von Jugendlichen selbst als wertvoll empfunden.
Wer Interesse an einem Workshop hat, wendet sich per Mail an: info@nessa-sachsen.de.
Die Autorinnen und der Autor gehören dem Institut PSM – Psychosoziale Medizin und Entwicklungsneurowissenschaften des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus, Dresden – an.
Zahlen und Fakten Eine Studie des Robert Koch-Instituts zeigt: Rund 33,6 Prozent der Mädchen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren weisen Symptome einer Essstörung auf. Bei den Jungen im gleichen Alter sind es rund 12 Prozent. Die durchschnittliche Fallzahl von Essstörungen ist vor allem unter den 12- bis 17-jährigen Mädchen in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen. Belief sich die Fallzahl 2012 in dieser Altersgruppe noch auf 90 je 10.000 Versicherte stieg der Wert 2022 auf durchschnittlich 139 Fälle je 10.000 Versicherte.
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