Analog lernen, wie digital funktioniert

Von Claudia Hempel

Künstliche Intelligenz und taktiles Internet an sächsischen Schulen

Wie sieht die Zukunft des Lernens aus? Fragt man Eltern, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler, sind die Antworten und die Wunschliste recht eindeutig: Ein Tablet statt einer Schultafel, eine App statt Kreide und Breitbandinternet statt einem Schulranzen voller Bücher! Digital schlägt analog.

Kein Zweifel – innerhalb der nächsten Jahre wird sich der Unterricht an unseren Schulen extrem wandeln. Und Tablet, App und Breitbandinternet werden sich ihren Platz im Klassenraum erobert haben. Doch wird im Klassenzimmer dadurch gleich mehr, komplexer und schneller gelernt? Lernforscher und pädagogische Wissenschaftlerinnen sind sich da nicht ganz so sicher.

Professor Steven E. Higgins von der Durham University in Großbritannien meldete schon vor zehn Jahren deutlich Zweifel an, als er zu dem Ergebnis kam, dass digitale Technik im Klassenzimmer analoges Lernen unterstützen kann, aber nicht notwendigerweise muss. Es kommt darauf an, wie die Technik eingesetzt wird und nicht ob.

DAS BESTE AUS BEIDEN WELTEN

Die Frage heißt deshalb nicht: digital oder analog?, sondern: Wie kann man digital und analog zu einer effektiven Lernstrategie verbinden?
Und genau dort setzt das Exzellenzcluster CeTI der Technischen Universität Dresden an, das maßgeschneiderte 90-Minuten-Unterrichtsmodule entwirft, gemäß dem Motto: analog lernen, wie digital funktioniert. „Was wir uns wünschen ist, dass wir eine Generation heranziehen, die intuitiv weiß, was sie machen muss“, fasst Lisa Küssel die Strategie des neuartigen pädagogischen Ansatzes zusammen. Die 27-jährige Wissenschaftlerin hat selbst Psychologie studiert und parallel als Tutorin für pädagogische Psychologie gearbeitet. Sie ist diejenige, die die Themen für die mittlerweile sechs fertiggestellten
Module entwickelt hat, an denen im Vorfeld mehr als hundert Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus den Bereichen Elektrotechnik, Medizin,
Psychologie, Informatik oder Pädagogik mitgearbeitet haben.
So lernen Drittklässler, wie man einen Schrittzähler programmiert oder Kinder ab der 7. Klasse die Vor- und Nachteile künstlicher Intelligenz kennen. Denn
auch Algorithmen sind menschengemacht und nicht von vornherein frei von Fehlern oder veralteten Denkmustern.

Für die Arbeit im Unterricht kommen meist zwei Personen vom CeTI direkt ins Klassenzimmer und bringen alles mit, was für das Unterrichtsmodul gebraucht
wird – das eigene W-LAN und Tablets für die Lernenden.
90 Minuten lang findet dann eine Art Hybridunterricht statt – Digitales wechselt sich mit analogen Einheiten ab. Als Diskussionsgrundlage werden digitale
Fragestellungen analog in Szene gesetzt. Beim Thema Robotik wird zum Beispiel eine Art Talkshow im Klassenzimmer initiiert. Dort sitzen dann verschiedene „Lobbyisten“ im Kreis und jeder verteidigt seinen Standpunkt. Das Publikum bewertet, ordnet ein und vergleicht. „Was wir machen, ist zehn Jahre vorauszudenken“, beschreibt Lisa Küssel das Projekt. Was also wird man in zehn Jahren brauchen? Weniger Programmierkenntnisse, sondern Ideen und Herangehensweisen, wie man Probleme digital lösen kann.

Lehrer und Lehrerinnen können sich bei Lisa Küssel über die digitalen Unterrichtsmodule erst einmal informieren oder sie direkt bei ihr bestellen. Alle
Einheiten sind auf den sächsischen Lehrplan abgestimmt. Kontakt: lisa_marie.kuessel@tu-dresden.de


Modul 1 | ab Klasse 5

Entwickle deinen cleveren Alltagshelfer.
Wie uns taktiles Internet helfen kann.

In diesem Workshop steht die Robotik im
Vordergrund. Die Schüler und Schülerinnen
erfahren Hintergründe aus den unterschiedlichsten Einsatzbereichen von Robotern, die schon jetzt unseren Alltag erleichtern, das taktile Internet und die damit verbundene Echtzeitübertragung von Daten werden erklärt. Darauf aufbauend können die
Lernenden selbst aktiv und vor allem kreativ
werden: Sie sollen im Laufe des Workshops
einen eigenen Alltagshelfer entwickeln.

Modul 2 | ab Klasse 7

Algorithmen programmieren?
Ein Kinderspiel!

Auch Jugendliche nutzen jeden Tag
Algorithmen, denn wer von ihnen greift heute nicht auf soziale Medien, wie You-Tube, Instagram, Tik Tok etcetera zu? In diesem Workshop sollen die Lernenden nicht nur die Funktionen und die Merkmale von Algorithmen kennenlernen, sondern auch selbst einen Algorithmus programmieren. In Form eines Mini-spiels wenden sie ihr erworbenes Wissen an und können sich im Programmieren ausprobieren.

Modul 3 | ab Klasse 9

… und morgen bringt der Roboter den Müll raus. Auswirkungen der Digitalisierung auf Gesellschaft und Beruf.
Die Digitalisierung ist ein hochaktueller Begriff, aber was verbirgt sich eigentlich dahinter? In diesem Modul steht der Anwendungsbereich
von Digitalisierung mit besonderem Augenmerk auf den Medizin- und Freizeitbereich im Mittelpunkt. Dabei wird anhand von Fallbeispielen herausgearbeitet, worin die Chancen, aber auch die Gefahren der Digitalisierung bestehen.

Modul 4 | ab Klasse 7

Alles unfair?! So diskriminierend kann künstliche Intelligenz sein
Künstliche Intelligenz kann heute schon fast alles, was wir Menschen auch können: Bilder malen, Auto fahren, Gespräche führen, doch ist sie auch in der Lage, Menschen auszugrenzen. In diesem Workshop erfahren die Schüler und Schülerinnen, was unter KI zu verstehen ist, und wo sie eingesetzt werden kann. Im Anschluss daran soll problematisiert werden, wie KI andere Menschen benachteiligt und wie man gegen diese Diskriminierung vorgehen kann.

Modul 5 | ab Klasse 3

Clever Coden mit dem Calliope Mini
Programmieren ist nur was für die echten
Informatik-Profis und für alle anderen viel
zu schwer? So ein Quatsch! In diesem Modul
lernen wir gemeinsam die Grundlagen des
Programmierens kennen und entwickeln
coole Anwendungen mit dem Calliope mini.
Die Möglichkeiten sind dabei schier endlos
– Schrittzähler, Temperaturmessung oder
doch ein ganzes E-Piano programmieren?
Gemeinsam finden wir heraus, was alles
möglich ist!

Modul 6 | ab Klasse 9

Taktiles Internet, 5G, künstliche Intelligenz – welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung?
Die Digitalisierung ist schon jetzt wichtiger
Bestandteil unseres Alltags. Die Lernenden werden in diesem Workshop darauf aufmerksam
gemacht, wo sie bereits mit Digitalisierung in Berührung kommen und was sich eigentlich genau hinter diesen Technologien verbirgt. Was haben alle gemeinsam, und worin unterscheiden sie sich?

Quelle: Centre for Tactile Internet (CeTI), TU Dresden

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