Wenn Opa wunderlich wird

Von Ingrid Exo

Sommerferien bei den Großeltern in Cornwall! Das war immer eine wunderbare Zeit, in der Opa mit Elliott angeln ging und die Ritter der Tafelrunde schnitzte. Denn die Großeltern wohnen im Dorf Tintagel, ganz in der Nähe des Ortes, an dem der sagenumwobene König Artus zur Welt gekommen sein soll.

Nun aber hat sich einiges verändert. Vor allem Opa hat sich verändert. Er hat Alzheimer. Und Oma, die sich tagein, tagaus um Opa kümmert, braucht eine Pause. Deshalb kommen Elliot und sein Paps für ein paar Wochen und übernehmen diese Aufgabe. Doch es fällt Elliot nicht leicht, sich daran zu gewöhnen, dass der Großvater zwar guter Dinge ist, aber in einer sehr eigenen Gedankenwelt lebt. Er nimmt es sich zu Herzen, dass sein Opa ein „verklumptes Hirn mit Löchern drin“ hat und nie mehr so sein wird wie früher. Die Sorge und die Trauer sitzen ihm wie ein Elefant auf der Brust. Dem Großvater auch nur die Schuhe anzuziehen wird zu einer echten Herausforderung, weil er sie ständig wieder falsch herum anzieht. Jede Nacht kullert er aus dem Bett (deswegen liegt schon extra eine zusätzliche Matratze davor), und außerdem muss man ihn immerzu davon abhalten, den Kater Lanzelot zu duschen.

LERNEN, MIT DEM UNVERMEIDLICHEN UMZUGEHEN

Als Elliott ihn eines Morgens wieder einmal auf der blauen Matratze vor dem Bett findet, fragt er seinen Opa, was er da eigentlich macht. Und wie selbstverständlich antwortet der: „Trockenschwimmen“. Und zwar nach Calais. Und weil es da schön sein soll, beschließt Elliott mitzuschwimmen. Fortan tun sie das regelmäßig. So hat Elliott wieder eine Verbindung zu ihm, und der Druck auf der Brust lässt nach. Realität! Pah! Wer braucht schon die Realität, wenn es doch noch so viele andere tolle Welten gibt?

ES GIBT MEHR ALS EINE WIRKLICHKEIT

Auch die vielen Regeln, die Opas Tag strukturieren und seine Merkwürdigkeiten im Zaum halten sollen, sehen Elliott und sein Paps mit der Zeit etwas lockerer und humorvoller – so sinnvoll sie auch sein mögen. Und so anstrengend es auch manchmal sein mag, Opa darf einfach nur Opa sein.

Mit ein bisschen Abstand betrachtet, ist es eigentlich auch ganz lustig, was sein Hirn so produziert. Als Elliott ihm beispielsweise einmal duftende Kiefernzapfen bringt, ist Opas Kommentar: „Richtig, die Schrauben riechen nach Sommer. Wenn man Schrauben nur fest genug anzieht, dann lässt der Wind nach und man kann losfahren.“

Petra Steckelmann, die Autorin, ist unverkennbar eine Liebhaberin Südenglands, und ihrer Erfahrung in der Altenpflege verdankt sie die Sammlung liebenswert absurder Sätze und Beobachtungen nicht ganz alltäglichen Verhaltens. Allen, die in ihrer Familie mit Demenzen wie der Alzheimer-Krankheit konfrontiert sind, mögen solche Sonderbarkeiten dadurch vielleicht nicht mehr ganz so außergewöhnlich und verstörend erscheinen. Vielleicht hilft ihnen das Buch sogar, zu einem unbeschwerteren Umgang mit den betroffenen Angehörigen zu finden.

Buchtitel Trockenschwimmen mit Opa

Petra Steckelmann
Trockenschwimmen mit Opa
Verlag: Edition Pastorplatz
Ab 10 Jahre

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