Schutzfaktor in Kindernasen

Von Jana Olsen

Frühwarnsystem gegen Corona

Kinder erkranken weniger schwer an einer Coronainfektion als Erwachsene. Woran liegt das? Unter Federführung der Berliner Charité haben Forscher herausgefunden, warum bei Kindern die Immunabwehr offenbar besser funktioniert. Dennoch kann eine Impfung auch für Kinder sinnvoll sein.

Lilli und Lucy hatten Corona. Die 7-Jährige und ihre zwei Jahre ältere Schwester haben sich die Infektion wahrscheinlich in der Schule eingefangen und zu
Hause ihre Eltern angesteckt. Während die Kinder nur zwei Tage einen leichten Schnupfen sowie eine erhöhte Temperatur hatten, kämpften die Eltern tagelang mit hohem Fieber und hartnäckigem Husten. Mittlerweile sind alle genesen, doch so wie Familie Hofmann dürfte es vielen Familien in den letzten zwei Jahren der Pandemie ergangen sein. Doch warum erkranken Kinder weniger schwer an Covid-19 als Erwachsene?

Offenbar ist das kindliche Immunsystem in den oberen Atemwegen wesentlich stärker aktiv als bei Erwachsenen. Ein Team aus Wissenschaftlern der Charité
in Berlin, des Uniklinikums Leipzig und des Krebsforschungszentrums Heidelberg entschlüsselten den genauen Mechanismus. Dafür untersuchten die Forscher die Schleimhäute in Rachen und Nase von gesunden und mit Sars-CoV-2 infizierten Kindern. Die Uniklinik Leipzig lieferte die Vergleichsdaten in Form von Nasen-Rachen-Abstrichen von infizierten Erwachsenen. Mit den gewonnenen Proben führten die Forscher des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung der Charité Spezialanalysen durch.

KINDERZELLEN REAGIEREN SCHNELLER

Der Vergleich zeigte ein überraschendes Ergebnis. Die Immunzellen in der Nasenschleimhaut der Kinder scheinen eine Art Frühwarnsystem zu haben. Für eine schnelle Immunantwort auf das Virus müssen sogenannte Mustererkennungsrezeptoren aktiviert werden, die das Erbgut des Virus erkennen.
Bei Kindern erkennt eine infizierte Zelle die Virenerbsubstanz schneller als bei Erwachsenen. Und leitet umgehend die Produktion von bestimmten Eiweißen
ein, den sogenannten Interferonen. Benachbarte Zellen werden dadurch gewarnt. Die gesunden Nachbarzellen beginnen, die Vermehrung der Viren zu
unterbinden.
„Wir haben aus dieser Studie gelernt, dass es offensichtlich nicht nur Risikofaktoren für schwere Covid-19-Verläufe gibt, sondern auch schützende Faktoren“,
sagt Irina Lehmann, Professorin für Epigenetik und Lungenforschung der Charité.
Momentan laufen erste klinische Studien, die bei Erwachsenen in einer frühen Phase der Erkrankung spezielle Nasensprays erproben, die Interferon enthalten. Normale Nasensprays jedoch können gegen Coronaviren nichts ausrichten. Ob die Schutzfunktion in Kindernasen auch für die neue Omikron-Variante gilt, ist aktuell noch unklar. Dr. Saskia Trump: „Unsere Untersuchungsergebnisse beziehen sich auf Daten aus der ersten und zweiten Welle. Wie es mit der neuen Variante aussieht, untersuchen wir gerade.“

INFEKTIONSFOLGEN FÜR KINDER

Auch wenn Kinder offenbar besser vor schweren Verläufen geschützt sind, heißt das noch lange nicht, dass sie sich sorglos mit Covid-19 infizieren können. Denn selbst ein leichter Verlauf kann schwerwiegende Folgen haben. So kann einige Wochen nach der Infektion das sogenannte PIMS-Syndrom auftreten. Ein Entzündungssyndrom, das zu hohem Fieber sowie Ausschlag führt und sich auf verschiedene Organe legen kann. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie erfasst seit Mai 2020 alle Fälle des PIMS-Syndroms. Bis zum 20.2.2022 wurden 720 Fälle registriert. Die Mehrheit der Kinder musste intensivmedizinisch behandelt werden.

Darüber hinaus zeigen Studien, dass auch bei Kindern Langzeitfolgen nach einer Infektion auftreten können, die ähnlich wie bei Erwachsenen als Long-Covid beschrieben sind. Dazu gehören Konzentrationsstörungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Schlafstörungen. Auch vor diesem Hintergrund gilt es abzuwägen, ob eine vorbeugende Impfung sinnvoll ist. Die wird ab 5 Jahren von der Ständigen Impfkommission aktuell hauptsächlich für Kinder mit Vorerkrankungen empfohlen.

Ähnliche Beiträge, die Sie auch interessieren könnten