Lesen lernen mit Mentoren

Von Claudia Hempel
(©Andreas Endermann)
(©Andreas Endermann)

Wie lernen Kinder am besten lesen? Durch Vorlesen! Das belegt zuletzt auch die Vorlesestudie von 2018. Doch ein Drittel aller Eltern liest ihren Kindern zu wenig oder gar nicht vor. Damit auch diese Kinder fit im Buchstabieren werden, hat sich ein Verein gegründet, der beim Lesenlernen hilft.
Er ist auch in Sachsen aktiv – zum Beispiel in Chemnitz, Leipzig, Grimma, Crossen und Borna.

Es war 2011, als Jens Hofmann in der Stadthalle Chemnitz einen Vortrag von Richard David Precht hörte. Es ging um Bildung; darum, wie Menschen sich Wissen aneignen und wie Kinder lesen lernen. Und darum, warum dieses Lesenlernen für die spätere Entwicklung eines jeden Menschen so wichtig ist.

Plötzlich wandte sich der promovierte Germanist Precht ans Chemnitzer Publikum und sagte: „Wenn Sie möchten, können auch Sie selbst etwas dafür tun, dass Jungen und Mädchen in Ihrer Nachbarschaft lesen lernen!“ Und er erzählte von einem Mann namens Otto Stender und seinem Lesehilfeverein. Er erzählte davon, dass man einen solchen Verein auch in Chemnitz gründen könne. Als Jens Hofmann, damals 42 Jahre alt, das hörte, schaute er sich in der Halle um und dachte bei sich: „Hoffentlich hören sich das jetzt nicht alle bloß an und keiner macht es! Oder ich muss eben derjenige sein, der es macht.“ Gedacht, getan. Noch im selben Jahr – also 2011 – gründete Jens Hofmann, der eigentlich aus der IT-Branche kommt, einen Verein namens MENTOR – Die Leselernhelfer Chemnitz e.V.

Ein Pferdehof und der PISA-Schock

Vorher aber hat er sich im Internet belesen, was den Mann namens Otto Stender, den Buchhändler aus Hannover, eigentlich bewegt hatte, Leselernhelfer und ‑helferinnen für Kinder zu suchen. Interessanterweise war Stender die Idee auf einem Pferdehof gekommen. Dort begegnete er jungen Mädchen, die sich mit viel Hingabe und Leidenschaft um die Pferde kümmerten, die auch großen Ehrgeiz zeigten, reiten zu lernen, dafür aber im Lesen schlecht waren und kaum Bücher kannten. Das war 2003. Es kamen gerade die Ergebnisse der zweiten PISA-Studie heraus. Schon bei der ersten PISA-Studie hatte Deutschland unterdurchschnittlich abgeschnitten. Otto Stender folgerte, dass es für Kinder mit Leseschwierigkeiten sicherlich förderlich und ermutigend wäre, wenn ihnen Mentoren und Mentorinnen zur Seite gestellt würden, die ihnen in einer Eins-zu-eins-Betreuung die Welt der Buchstaben näherbrächten. So gründete Otto Stender im Jahr 2003 den ersten Verein namens Mentor – die Leselernhelfer. Dessen Ziel ist es, die Lesefähigkeit und das Leseverständnis von Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 16 Jahren zu entwickeln, zu fördern und zu stabilisieren. Aus diesem Anfangsimpuls entwickelte sich in kurzer Zeit eine bundesweite Initiative. Im April 2009 durfte Otto Stender das Projekt sogar Prinz Charles vorstellen.
Weitere zwei Jahre später hörte schließlich Jens Hofmann von diesem Verein.

(©Andreas Endermann)
(©Andreas Endermann)
So funktioniert ’s

Das Prinzip ist bundesweit einheitlich. Ehrenamtliche verpflichten sich, mindestens ein Jahr lang einmal pro Woche einen Schüler oder eine Schülerin beim Lesenlernen zu begleiten. Diese Förderung findet immer in Kooperation mit den Schulen statt. Diese wiederum wählen Schüler und Schülerinnen aus, bei denen sie einen erhöhten Bedarf sehen. Immer, wenn sich ein neuer Leselernhelfer bei Jens Hofmann meldet, fragt er erst einmal: Wo wohnen Sie denn? In welcher Schule würden Sie gern Kinder unterstützen? Denn je kürzer der Weg, weiß der Gründer des Chemnitzer Vereins und Vater zweier erwachsener Kinder, desto leichter fällt es den Ehrenamtlichen, das Projekt das ganze Schuljahr über zu begleiten. Die meisten sind Rentner und Rentnerinnen. Doch es gibt auch die Mutter eines Erstklässlers, die derzeit nicht berufstätig ist und daher gern die Zeit für so ein sinnvolles und wichtiges Projekt aufbringt, erzählt Jens Hofmann. Genau dieser Gedanke eint die Ehrenamtlichen: etwas Sinnvolles und Nützliches zu tun.

Doch das will Schritt für Schritt vorbereitet sein. Meldet sich bei ihm jemand, der bereit ist, Mentor zu werden, bittet Jens Hofmann um ein Gespräch mit der Leitung einer Schule möglichst in der Nähe. Dort stellt er den Verein und seine Ideen vor. Die Schulleitung bespricht sich mit den Lehrkräften, welche Kinder infrage kämen. Und wenn dann noch das Einverständnis der Eltern vorliegt, kommt es zu einem ersten Treffen.
Und vielfach zu einer beglückenden Erfahrung: Wie die Ehrenamtlichen berichten, ist ganz deutlich zu spüren, wie froh und dankbar die Kinder sind, dass sich jemand exklusiv um sie und ihre Bedürfnisse kümmert.

MENTOR-Die Leselernhelfer Chemnitz e. V.
Georgstraße 48
09111 Chemnitz
Kontakt: Jens Hofmann
Telefon: 0173/707 12 99
E-Mail: hofmann.jens11@yahoo.com

Auf der Seite des Bundesverbands gibt es eine Deutschlandkarte mit Ansprechpartnern vor Ort:
www.mentor-bundesverband.de/vereine/vereine-kontakte

Lust, einen Verein vor Ort zu gründen?
Beim Bundesverband wird man dabei von Vorstandsmitglied Dr. Amelie Haas begleitet.
haas@mentor-bundesverband.de

Ähnliche Beiträge, die Sie auch interessieren könnten