Familienpaten: Hilfe im anstrengenden Familienalltag

Von Eva Jobst
Familienfoto mit Großeltern

Ein sportlicher Mann von Mitte 60 und ein 9-jähriges Mädchen mit langem Zopf laufen durch das kleine Städtchen Brandis von der Grundschule nach Hause.
Er ist nicht der Opa, sie ist nicht die Enkelin. Sie kennen sich erst ein gutes Jahr.
Das Mädchen heißt Elenor Rinke. Der Mann heißt Mario Engler. Er ist Familienpate, und das ehrenamtlich.

DAS PROJEKT FAMILIENPATEN

Das Projekt besteht seit über 15 Jahren und ging aus der Freiwilligenzentrale der Diakonie Leipziger Land hervor.
Dort können sich Familien anmelden und in einem Fragebogen angeben, wobei sie Hilfe brauchen. „Wir wollen Familien helfen, die sich Unterstützung im Alltag wünschen“, sagt Corinna Franke, Leiterin der Freiwilligenzentrale.
Als Familienpate braucht man ein polizeiliches Führungszeugnis, man wird geschult und schließlich in eine passende Familie vermittelt.
Im Februar 2025 sind es circa 50 Kinder, die von 22 Paten, vielmehr: Patinnen, betreut werden, denn es sind nur zwei Männer darunter.
Mario Engler ist einer von ihnen. Als er Rentner wurde, fiel ihm zu Hause die Decke auf den Kopf. „Ich hatte soziale Kontakte verloren, musste aber unter Leute“, erzählt er. Da entdeckte er die Annonce Familienpaten gesucht! und meldete sich.
Seine Haltung war: „Ich guck mir das an. Mal sehen, ob es passt.“   

FÜR JEDEN TOPF DEN RICHTIGEN DECKEL FINDEN

Es ist nicht immer einfach, die passenden Paten zu finden, weiß Corinna Franke. Es gibt Familien, die um Hilfe bitten, dann aber unzuverlässig sind und Termine und Verabredungen nicht einhalten. Da kann es leicht passieren, dass sich die ehrenamtlichen Paten überfordert fühlen. Auch die Betreuung von kleinen Kindern, die oft gehoben werden müssen, kann für manch älteren Freiwilligen schwierig sein. Doch die Verantwortlichen des Projekts bemühen sich sehr, für jeden Topf den passenden Deckel zu finden. 

Bei Mario Engler und Familie Rinke war schon die erste Begegnung ein Volltreffer. Daran hat sich nichts geändert, wie gut zu sehen ist, als Elenor und der Familienpate nach Hause kommen.
Stürmisch werden die beiden von Lauren, 7, begrüßt. Er ist erkältet und war deshalb heute nicht in der Schule. Auch die Mama, Katrin Rinke, freut sich. Um sie herum wuseln Darina und Liana, die zweieinhalbjährigen Zwillinge.

NACHWUCHS IM DOPPELPACK UNTERWEGS

Als Katrin Rinke schwanger war und erfuhr, dass Zwillinge unterwegs waren, überlegte sie, ob sie den Alltag mit vier Kindern schaffen würde. Da bestand die Gefahr, dass die beiden Großen zu kurz kommen könnten.
„Ich kann mich nicht zerteilen. Vieles ist nicht machbar mit vier Kindern.“
Ehemann Sven ist Ingenieur und arbeitet als Verkehrsplaner. Meist kommt er erst nach 18 Uhr nach Hause.
Von einer Bekannten erfuhr Katrin Rinke vom Projekt Familienpaten – und meldete sich dort.
Bald lernten sie und ihr Mann Mario Engler kennen. Mit ihm stimmt die Chemie, auch dank fester Regeln: Er kommt einmal in der Woche, in der Regel montags. Am Abend zuvor telefonieren sie miteinander und klären, was anliegt. Meist holt der Pate nachmittags die Großen aus dem Hort, manchmal kommt er aber auch früher. Dann kann Katrin Rinke einen kurzen Termin wahrnehmen oder die große Wäsche machen, während er sich um die Zwillinge kümmert.
„Am Anfang war es ungewohnt“, sagt sie. „Aber durchs Reden haben wir zueinander gefunden.“
Die Erwachsenen siezen sich, für die Kinder ist Engler „der Mario“.

FAMILIENPATE MIT VIELEN QUALITÄTEN

Die Hausaufgabenkontrolle der beiden Großen gehört zu Englers Qualitäten. Danach geht es ans Spielen.
Heute hat er ein Spannungsmessgerät mitgebracht, denn die elektrische Eisenbahn von Lauren rollt nicht so kraftvoll wie sie sollte. Als erfahrener Handwerker kann er nicht nur gut erklären, wie gemessen wird, gemeinsam mit den Kindern findet er auch den Fehler. Bald will er mit den beiden eine Eisenbahnplatte bauen. Aber auch Videobearbeitung, Rätseln oder Basteln gehören zum Programm.  

In Elenors Zimmer üben sie englische Vokabeln.
Anschließend wird im Flur auf Gymnastikmatten geturnt und getobt.
Im Sommer sind die drei viel draußen. Eine Slackline wird gespannt – auf der üben Elenor und Lauren mit Hilfe ihres Familienpaten das Balancieren.

Um kurz vor Sieben schalten die drei den Fernseher an. Denn zum Ritual gehört das gemeinsame Anschauen des Sandmännchens. Es ist das Signal, dass Mario Englers Einsatz für heute beendet ist.
Inzwischen ist auch Sven Rinke nach Hause gekommen. Jetzt, wo die Familie komplett ist, werden sie Abendbrot essen und sich auf den neuen Tag vorbereiten.
Nächste Woche wird Mario Engler wieder für die Familie da sein.

ZEIT VERSCHENKEN

Es gibt eine Warteliste mit 24 Familien, die Unterstützung brauchen könnten.

Es werden also dringend weitere Helfer und Helferinnen gesucht, die sich gern einer Familie widmen wollen. Wir brauchen „zuverlässige, liebevolle Freiwillige, die Zeit zu verschenken haben“, sagt die Koordinatorin des Projekts, Doris Ring.

Für Interessenten im Landkreis Leipzig:
https://www.diakonie-leipzigerland.de/beratungsdienste/freiwilligenzentrale/familienpaten/

In anderen Regionen heißen solche Projekte
„Großelterndienst“, „Leihomas“, „Oma-Opa-Vermittlung“, „Wunschgroßeltern“ oder ähnlich. Träger sind meist Verbände der Wohlfahrtspflege wie Diakonie, Caritas, AWO, DRK und andere. 

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