Digital ist das neue Normal

Von Ingrid Exo

„Ah, so ist das!“ Was Sie schon immer über Social Media, die geheimen Codes und den aktuellen Sprachgebrauch Ihrer Kinder wissen wollten, hier erfahren Sie es. Das Buch mit den gesammelten Kolumnen Tillmann Prüfers über seine Töchter ist also keine Empfehlung zum Vorlesen oder Selbstlesen von Kindern und Jugendlichen, sondern ein Buch zum stillvergnügten Lesen leidgeplagter Eltern von pubertierenden Digital Natives. „Man muss sich ein Kind eben heute genau so vorstellen: als einen Organismus mit immer noch ein paar elektronischen Ausbaustufen mehr, die irgendwann gar nicht mehr richtig vom Körper zu trennen sind“, stellt der Autor fest. „Man weiß nicht, ob das Smartphone nicht eigentlich Teil der Hand ist, denn man sieht es nie woanders.“

Lesen auf Papier ist Old School

Man weiß es natürlich schon, was man gedruckt lesen kann, ist eigentlich längst schon veraltet. Solche Informationen sind mit ähnlichem Vorbehalt zu betrachten wie das Jugendwort des Jahres, das kaum ein Jugendlicher wirklich benutzt (nur zur Info: Das offizielle Jugendwort des Jahres 2023 ist goofy). Aber hier geht es ums Digitale. Und beim Umgang damit prallen wie seit Generationen schon Welten und Kulturen aufeinander: die der Eltern und die der Kinder. So klagt Tillmann Prüfer, Autor des Buches und Kolumnist des Zeit-Magazins, eine seiner vier Töchter lese nicht mehr. Weil es ihrer Meinung nach keine guten Bücher mehr gebe. Natürlich sorgt sich der Vater um Bildung und sittliche Reife seiner Tochter, wenn sie auf das Lesen verzichtet. Und erinnert sich, dass das in seinen Jugendtagen nicht anders war, in denen er sich lieber der Duck-Familie aus Entenhausen statt den Wahlverwandtschaften widmete. Ist ja aber doch was aus ihm geworden.

„Noch eine Stunde Screentime, pls“

Gleiches gilt für den permanenten Gebrauch des Smartphones (der, wie er zugibt, auf die Eltern ebenso zutrifft wie auch die Heranwachsenden). Bildschirmzeit ist das medienpädagogische Zauberwort unserer Zeit. Und der Nachwuchs weiß die Regularien ebenso geschickt auszuhebeln, wie die Elterngeneration die Zeiten, wann man zu Hause zu sein hatte. Oder als es noch darum ging, das Kassetten-Hören zu limitieren. Das war angesichts der jugendlichen Findigkeit genauso vergeblich wie das Einrichten von Internetsperren und Apps zur Beschränkung des Medienkonsums. „Der Kassettenrekorder war das Smartphone der Achtzigerjahre“.

„Hör auf, so verkrampft auszusehen“

Es ist aber durchaus nicht so, dass man nicht auch als Vater von den Töchtern lernen könnte oder wollte. Diesen unbefangenen Umgang mit dem eigenen Abbild zum Beispiel, dem Selfie also. Doch die Hoffnung, sich das auf dem Instagram-Account der Tochter anschauen zu können wird enttäuscht, er wurde vorsorglich geblockt. So ähnlich ist es am Ende auch mit solchen Büchern. Man darf ein bisschen vom Spielfeldrand zuschauen, die Regeln versteht man letztlich doch nicht ganz, und mitspielen darf man sowieso nicht. Das bleibt das Privileg der Jugend. Aber mit ein bisschen Distanz betrachtet ist der digitale Familienirrsinn, den jeder irgendwie kennt, dann doch wieder ganz amüsant.

Buchtitel Jetzt mach doch endlich mal das Ding aus!

Tillmann Prüfer
Jetzt mach doch endlich mal das Ding aus!
Verlag: Kindler

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