
Umblättern, bitte!
Ob versehen mit Spruchweisheiten, Aphorismen oder Auszügen und Wissenswertem zu großer Literatur: Mehr oder weniger literarische Wandkalender und Wegbegleiter durchs Jahr gibt es in großer Vielfalt: zum Thema Frauen, Katzen […]
An manchen Nachmittagen ist alles, was man macht, schön. Einfach so. Gemeinsam auf einem Sonnenfleck sitzen und Uno spielen zum Beispiel. Solche Momente hinterlassen in Ada dasselbe Gefühl wie ein riesiges Stück Schokokuchen mit Schokoguss und Zuckerstreuseln. Man ahnt schon, Adas Blick auf die Welt möchte man gern näher kennenlernen. Und die Innenwelt ihrer Gefühle auch.
Gefühle hat ja jeder. Nur sind sie nicht leicht in Worte zu fassen. Für niemanden. Und darum greift man gern zu Bildern, man spricht beispielsweise von der Gefühlswetterlage. Oder von Schmetterlingen im Bauch. Bei Ada sind es Ameisen.
Die Ameisen in Adas Bauch kribbeln zum Beispiel, wenn sie an die Schule denkt (denn nach dem Sommer soll sie eingeschult werden). Wenn Mamas Freund Paul sie in die Luft wirft und wieder auffängt. Wenn das Freibad aufmacht. Bei aufregenden Dingen oder auch blöden.
Einfach ist das alles nicht, eher groß und ein bisschen unübersichtlich. Und so nähert sich dieses Buch den Gefühlen behutsam in vielen kleinen Abschnitten, die wiederum in verschiedenen Witterungen, also Kapiteln zusammengefasst sind: Sonnenschein, Wolken, Regen, Gewitter …
Zu den Wolken gehört die Kopf-unter-Wasser-Angst oder der Stracciatella-Trost. Der Sonnenschein kennt Sonnenfleck-Nachmittage und die Ameisen im Bauch.
Stracciatella – das ist der Name, den Ada dem Huhn gibt. Dem Huhn, das ihr Oma schenkt, obwohl Mama dagegen war. Aber in Ada breitet es etwas aus „das sich anfühlt, wie eine riesige Wolke aus Erdbeerduft“, als sie es bekommt. Stracciatella-Trost wiederum ist „ein bisschen wie in einer Höhle aus Bettdecken sein: Alles, was Ada wütend oder traurig oder ängstlich macht, bleibt draußen.“
Aber es gibt auch schwierige Gefühle: Zum Beispiel, wenn sich ihre Freundin Laila plötzlich für sie nicht mehr richtig interessiert, dafür aber für Linus, der in der Klasse genau vor Laila sitzt. Darüber sprechen kann Ada kaum. Denn „alle Worte stecken ganz weit unten im Bauch. Ziemlich viele Worte sind das, und zusammen ergeben sie einen kratzigen Berg aus Kurven und Zacken und Kanten, der sich nicht in Adas Mund traut.“
Auch wie sich Angst für Ada anfühlt, erfahren wir, oder wie es ihr dabei ergeht, wenn wie etwas Unerlaubtes getan hat und doch nicht anders konnte – wie zum Beispiel dieses gelbe Plastik-Einhorn mitzunehmen, obwohl es ihr nicht gehörte.
Dann wieder geht es um die besonderen Empfindungen, die Musik auslöst. Wenn Paul auf seinem Cello spielt, fühlt sich Ada, als würde sie abheben. In ihr drinnen summt dann alles vor Glück.
Dieses Buch findet einen ganz poetischen Umgang mit Gefühlen und schafft eine besondere Möglichkeit mitzufühlen und nachzuspüren. Viele kleine Gefühlserlebnisse reihen sich aneinander und formen mosaikartig Adas Gefühlslandschaft. Die einzelnen Abschnitte bestehen oft aus ganz kurzen Sätzen, herabperlend wie von einer Perlenkette, fast schon, als seien es Gedichte.
Und eine wahre Freude sind auch die begleitenden Zeichnungen. Kurz: Das Buch ist einfach wunderschön, man mag immer wieder eintauchen und mit Ada den Gefühlen nachlauschen.
Stefanie Höfler
Ameisen in Adas Bauch
Ein Kinderbuch über leise und laute Gefühle
Illustrationen: Philip Waechter
Verlag: Beltz & Gelberg
Ab 6 Jahren