Schaukeln – Training für Gleichgewicht und Reaktionsvermögen
Von Dirk Heinemann
Kinder lieben es, zu schaukeln, und es kann gar nicht hoch genug hinaus gehen. Und das ist gut, so nämlich schwingen sie sich von einem Entwicklungsschub zum nächsten.
Denn jede Schaukelbewegung regt das Gleichgewichtsorgan an – ein System aus Bogengängen im inneren Teil der Ohren. Diese Bögen sind mit Flüssigkeit und Kristallteilchen gefüllt. Schaukeln verändert die Schwimmrichtung der Teilchen. Auf diese Weise wird über Nervenverbindungen unserem Gehirn gemeldet, wo oben und unten, was waagerecht und was senkrecht ist. Das trainiert die Orientierung im Raum.
üben schon im Mutterleib
Im Baby- und Kindesalter durchläuft unser Gleichgewichtssinn die entscheidenden Entwicklungsstufen. Das dafür notwendige Training beginnt schon für Ungeborene. Im Fruchtwasser schaukeln wir im Rhythmus der Bewegungen unserer Mutter mit und drehen uns von selbst in verschiedene Richtungen.
Die Natur hat es geschickt eingerichtet, dass die Eltern nach der Geburt ihres Kindes die Gleichgewichtsübungen unbewusst weiter fördern: Babys werden in den Schlaf geschaukelt. Und wenn sie wach sind, werden sie im Kinderwagen chauffiert und geschuckelt, am Körper getragen oder in der Luft herumgewirbelt.
Für Kinder bis zum Alter von 6 Jahren empfehlen Kinderärzte darüber hinaus das „Schaukelschiff“. Die kleinen Fahrgäste legen sich auf eine Decke. Mama und Papa heben an beiden Enden die Kuschelkabine hoch und schwingen sie nach links und rechts. Der „Passagier“ hat nicht nur Spaß dabei, sondern trainiert gleichzeitig seinen Gleichgewichtssinn.
Denken Sie an eine weiche Unterlage, damit es im Falle eines „Schiffbruchs“ eine weiche Landung gibt!
Eine andere Möglichkeit ist die „Wackelmatratze“. Dafür wird ein Kinderbettbezug oder ein großer Kopfkissenbezug mit Luftballons gefüllt. Die Ballons werden nur leicht aufgeblasen, aber es sollten ordentlich viele sein, sodass keine Lücken entstehen. Dann verteilt sich der Druck und Sie müssen keine Sorge haben, dass die Ballons platzen. Es entsteht eine wunderbar wabbelige Unterlage. Kinder im Krippenalter werden ganz von selbst darauf herumkrabbeln oder verschiedene Liegepositionen ausprobieren. Diese Entdeckungstour regt das Gefühl für die richtige Lage und die Befähigung zum Balancehalten an.
wertvoll für motorik und raumgefühl
Später auf dem Spielplatz sollte deshalb auch die Anschubhilfe für die Schaukel nicht zur Gewohnheit werden. Besser ist es, wenn Kinder das Schaukeln alleine meistern, denn das komplexe Zusammenspiel des Bewegungsablaufs schult Motorik und Reaktionsvermögen.
In der Medizin gibt es sogar eine Therapie, die sich das Schaukeln zu Nutze macht: die „Basale Stimulation“. Sie kommt zum Beispiel bei Frühgeborenen, bei Kindern mit Handicaps und auf Unfallstationen zum Einsatz. All diese kleinen und großen Patienten haben mitunter Probleme, sich zu orientieren oder schwindelfrei in Balance zu bleiben. Das Schaukeltraining kann diese Beschwerden lindern oder gänzlich ausräumen.
Von der Wiege bis zum Schaukelstuhl: Das Schwingen im Raum ist geradezu ein menschliches Bedürfnis und begleitet uns offenbar ein Leben lang.
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