Planet Utopia – wie wollen wir in Zukunft leben?

Von Claudia Hempel

Zu Besuch auf der 3. Kinderbiennale in Dresden

„Willkommen auf PLANET UTOPIA … einem Ort, der zum Mitmachen und Entdecken anregt, phantastische Universen eröffnet und uns durch Raum und Zeit reisen lässt. 
Wie wollen wir unsere Zukunft gestalten? Wie können wir diese Welt, in der wir leben, zu einem besseren Ort machen? 
Kaum etwas scheinen wir derzeit dringender zu benötigen als Utopien – Ideen, Träume und Visionen.“

So klingen die einladenden Worte zu einem der spannendsten Projekte für Kinder in Dresden. Denn was da aller zwei Jahre im Japanischen Palais am Neustädter Elbufer passiert, ist etwas ganz Besonderes – eine Ausstellung von und mit Kindern, Kunstschaffenden und Wissenschaftlern.
Eine Kunstausstellung für Kinder, die politische Themen behandelt – das klingt erst einmal gar nicht kindgerecht, doch wer das Palais betritt, erkennt schnell: Hier bekommen Kinder vom Grundschul- bis ins Jugendalter eine Vorstellung davon, was diese Welt zusammenhält. Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt haben die Räume gestaltet. Und hinter jeder künstlerischen Arbeit, jeder Idee steht eine Einladung zum Mitmachen.

WIE GEHT ES DIR HEUTE?

Gleich im ersten Raum hat der dänische Künstler Jeppe Hein hunderte blauer Kreise gemalt. Und ein großer Schriftzug fragt: How do you feel today? (Auf Deutsch: Wie geht es dir heute?) Stifte liegen bereit, um die eigene Stimmung in einem dieser Kreise zum Ausdruck zu bringen – lachend, neutral, nachdenklich oder düster … Was nebenbei entsteht, ist ein großes Kunstwerk, raumhoch und gleichmäßig über alle vier Wände verteilt. Wenn alle Kreise ausgefüllt sind, werden die Wände wieder geweißt und bald darauf warten neue Kringel darauf, zu Gesichtern zu werden.

©Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto Oliver Killig
©Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto Oliver Killig
EIN KINDERBEIRAT TRIFFT DIE AUSWAHL

Ein paar Schritte weiter dann ein Flirren und Flattern – 200 Glühbirnen hängen von der Decke. Je näher man kommt, desto schneller wird das Flirren im Glas. Wer jetzt genau hinschaut, entdeckt kleine Falter, Schmetterlinge oder andere Insekten. Sie alle sind sehr farbenfroh und keines dieser flirrenden Wesen hat man schon einmal in der Natur gesehen. Kommen Sie aus anderen Ländern? Keineswegs. Es gibt sie in Wirklichkeit gar nicht. Sie alle sind Phantasiegebilde, erdacht und aufgemalt von dreizehn Kindern der 47. Grundschule in Dresden, die zum 130-köpfigen Kinderbeirat gehören. Aus vier verschiedenen Dresdener Schulen wurden Kinder eingeladen, die Biennale mit vorzubereiten. Aus ihren Ideen und Vorstellungen entstand so manches Kunstwerk.

©Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto Oliver Killig
©Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto Oliver Killig

Für die Gestaltung des „Insektenreichs“ haben die dreizehn Kinder zwei Tage lang einen Workshop mit einer Biologin besucht. Die hat erst einmal jedem Kind einen Kescher in die Hand gedrückt, ist mit ihnen zu den Elbwiesen gewandert und hat den Kindern gezeigt, wie man Insekten fängt. Danach konnten sie die Insekten in einem Lupenglas beobachten und wieder in die Freiheit entlassen.

Auch, wie man Insekten beschreibt, wie der lateinische Name entsteht und was Insekten tun müssen, um sich den Klimaveränderungen anzupassen, hat die Biologin erklärt.

Mit all dem Wissen konnten die Grundschulkinder sich dann austoben, eigene Insekten erfinden und ihnen äußerst abgefahrene Fähigkeiten andichten. So hat sich Paul den Langfühlkäfer ausgedacht, der bei Gefahr Brackwasser aus seinem großen Hinterteil spuckt. Livia hat einen Blasenfalter erfunden. Er kommt ursprünglich aus dem Regenwald, ist aber jetzt auch vermehrt in Städten anzutreffen. Seine Lieblingsnahrung sind lila Blüten. Besonders schön: Zur Eiablage produziert der Falter Blasen auf seinen Flügeln, die wie Seifenblasen nach oben steigen und sich in den Blättern verfangen.

Aus den Zeichnungen der Kinder haben Katharina Mischer und Thomas Traxler (mischer’traxler studio) mit ihrem Wiener Team kleine Insekten gebaut, die nun in den Glühbirnen flattern.

PLASTIKMÜLL NEU GEMACHT

Keine Utopie ohne die Frage: Was machen wir mit dem Plastikmüll? In zwei großen Spielautomaten mit Greifarmen, die normalerweise Plüschtiere beherbergen, liegt jetzt Plastikmüll. Blumentöpfe, Einwickelfolie, Obstschalen, Trinkbecher, Einweggeschirr, Plastikflaschen … Drei Chips gibt’s pro Besucher, damit kann man „seinen“ Plastikmüll per Greifarm fassen.

Per Laser wird der Plastikmüll kategorisiert und kann dann – sortenrein – in besonderen Recyclingworkshops zu neuen Dingen geformt werden, indem das Plastik geschreddert und erhitzt, gesägt und geprägt wird. Am Ende hat jedes Kind ein neues selbstgefertigtes Objekt aus dem Plastikmüll gestaltet. Eine Uhr zum Beispiel oder eine Plastikschiene für die Holzeisenbahn. So werden Ideen zur Wiederverwertung gesponnen, und die jungen Museumsgäste setzen sich mit der Vermeidung von Müll auseinander. Die Idee stammt von den Dresdener Kollektiven The Constitute und Kunststoffschmiede. Auf interaktive Weise sollen sich Besuchende mit der Idee von reduce, reuse & recycle – also reduzieren, mehrfach verwenden und wiederverwerten – auseinandersetzen.

Jeden Freitag und Samstag zwischen 14 und 17 Uhr gibt es diese Recyclingworkshops.

©Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto Oliver Killig
©Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto Oliver Killig

EINE ANDERE WELT IST MÖGLICH
©Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto Oliver Killig
©Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto Oliver Killig

Und Recycling steht auch im Fokus des nächsten Raums – diesmal mit Pappe. Verschiedene Kisten mit Pappkartons, Wellpappe und Pappeinlagen stehen im Raum verteilt. Entlang der Fenster stehen große Arbeitstische mit Klebstoff, Schere und Klebeband. Hier können sich Kinder und Erwachsene gleichermaßen austoben – eine Vision als kleines Kunstwerk aus Pappe, das ist die Idee dahinter. Wer möchte, kann seine Pappskulptur mit nach Hause nehmen oder aber ins Regal vor Ort stellen. Diese Objekte fügt das Museumsteam dann zu einer großen raumfüllenden Skulptur zusammen. Der Anfang ist gemacht; bestimmt drei Meter hoch und fünf Meter lang ist das Pappobjekt, welches permanent wächst. Viele Ideen vereint zur Utopie – so wie aus vielen kleinen Dingen ein großes Ganzes entstehen kann. Darin begegnen und verzahnen sich Kunst und Realität: Wenn viele Menschen gemeinsam denken, tüfteln, bauen, malen, spinnen und nachdenken, dann kann eine neue Welt entstehen, eine Welt, die für alle lebenswert ist. Eine Welt, die allem, was an dystopischem Schrecken denkbar ist, Utopien entgegensetzt. Für eine Welt mit Zukunft.

Die Kinderbiennale ist bis zum 30. März 2025 dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr im Japanischen Palais, Palaisplatz 11 in Dresden, zu sehen.

Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm – zum Beispiel ein kollektives Songwriting-Projekt zu Kinderrechten (ab 20. September im UTOPIA Lab), eine Mal-, Druck- und Filmwerkstatt oder „Sterne zum Anfassen“ (ab 27. November im UTOPIA Lab)

Der Eintritt in die Ausstellung sowie ein Großteil der Workshops sind gratis. Mehr Infos unter: https://japanisches-palais.skd.museum/programm

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