Lärm belastet nicht nur die Ohren

Von Jana Olsen
Baby mit Kopfhörer

Im Laufe des Lebens wird unser Hörsinn vielen Reizen ausgesetzt. Das beginnt schon im Babyalter mit Rassel & Co. Doch Lärm sorgt für Stress und kann sogar krank machen. Wie senkt man also den Geräuschpegel im Kinderzimmer? Was sollte man beim Spielzeugkauf beachten? Und wann ist ein Hörtest für das Kind angebracht?

Ein Hörschaden durch eine Quietscheente? Undenkbar ist das nicht. Wird das Spielzeug direkt ans Ohr gehalten, erreicht es eine Lautstärke von 130 Dezibel, so laut wie ein startendes Flugzeug. „Viel zu viel für Kinderohren“, sagt Pädakustikerin Lissy Lemke. Die Hörakustikerin ist speziell auf das kindliche Gehör geschult und betreut im Horchladen Dresden schwerhörige Kinder. „Kinder hören anders als Erwachsene. Wir haben in unserem Gehirn ganz viele Dinge abgespeichert. Unser Gehirn weiß Bescheid, wenn es etwas sieht, das laut werden könnte und ist vorgewarnt. Diesen Mechanismus haben insbesondere kleine Kinder noch nicht. Auf die prasselt alles ein, was kommt.“ Und das kann nicht nur die Ohren dauerhaft schädigen. Lärm sorgt für Stress, verzögert die Sprachentwicklung, verringert die Konzentrationsfähigkeit und die Gedächtnisleistung. Lärm belastet den ganzen Körper. Grund genug also, den akustischen Alltag der Kinder genauer unter die Lupe zu nehmen.

AKUSTISCHES SPIELZEUG PROBLEMATISCH

Das Feuerwehrauto mit Sirene, sprechende Puppen, der Kindercomputer – Spielzeuge, die Geräusche machen, ziehen Kinder magisch an. „Wenn es irgendwo rasselt und scheppert, das erregt natürlich Aufmerksamkeit, gerade bei Kleinkindern“, bestätigt Lissy Lemke. Kinder benutzen akustische Spielzeuge oft stundenlang und werden nicht müde, die Geräusche immer und immer wieder neu auszuprobieren. Das kann zur Gefahr werden: „Gerade für Babys und Kleinkinder ist das problematisch, weil ihre Bewegung noch nicht zielgerichtet ist. Da landet eine Rassel schon mal direkt am Ohr, weil sie so schwer ist. Und eine Rassel kann bis zu 100 Dezibel entwickeln“, warnt Lemke. Ab einem Wert von 85 Dezibel kann es zu dauerhaften Hörschäden kommen. Deshalb gilt ab diesem Wert auch Gehörschutzpflicht am Arbeitsplatz.

OHREN AUF BEIM SPIELZEUGKAUF

Beim Spielzeugkauf empfiehlt die Expertin: „Empfindet man es als Erwachsener als zu laut, ist es auch für die Kinder zu laut.“ Beim Kauf sollte man die Lautstärke testen und auf die Verpackung schauen. Es gibt einige Hersteller, die lautes Spielzeug kennzeichnen und mit einem Warnhinweis versehen, dass man das Spielzeug von den Ohren fernhalten soll. Es ist jedoch fraglich, ob Kinder sich daran halten. Kleinere Kinder sollten akustisches Spielzeug am besten nur mit den Eltern gemeinsam benutzen: „Die Eltern können es zur Beschäftigung in die Hand nehmen, dann ist es nicht so nah am Kind. Und man kann als Eltern auch bestimmen, wie lange das Kind dem Geräusch ausgesetzt ist.“

LÄRMAMPELN UND APPS MACHEN LÄRM SICHTBAR

Dabei ist es längt nicht allein das Spielzeug, das den Lärmpegel im Kinderzimmer oder in der Kita hochtreibt. Denn da, wo viele Kinder zusammenkommen, ist immer viel Lärm. Wichtig sei dann, dem Nachwuchs immer mal wieder bewusst zu machen, dass es zu laut ist. „Ich bin ein großer Fan von sogenannten Lärmampeln, die bei einer gewissen Lautstärke von grün auf orange oder rot schalten. Das macht den Lärm sichtbar. Die Erzieher müssen das mit den Kindern natürlich besprechen“, empfiehlt die Pädakustikerin. Für zu Hause gibt es kostenlose Schallpegel-Apps, mit denen man den Lärmpegel messen kann. Der eine oder andere Knirps wird es bestimmt ganz spannend finden, das eigene akustische Spielzeug zu Hause einmal mit Mama oder Papa durchzumessen.

RUHEPAUSEN EINPLANEN

Und was kann noch helfen, die Lärmbelastung zu senken? „Es gibt einfache Maßnahmen“, sagt Lissy Lemke. „Ein ganz klassisches Beispiel ist, den Fußboden mit einem Teppichboden lärmschluckend zu machen. In der Kita ist es gut, Ruheoasen zu schaffen, zum Beispiel ein Zimmer, wo die Kinder wissen, hier darf nur geflüstert werden oder hier kann ich in Ruhe ein Buch anschauen.“ Auch nach Schule oder Kita sollten Eltern zu Hause erst mal eine Ruhepause einplanen. Heißt: kein Radio, kein Fernsehen, kein Hörspiel. „Wenn man die Flut der Geräusche nicht enden lässt, dann kommt das Kind überhaupt nicht zur Ruhe. Dann kommt es zu Konzentrationsschwierigkeiten, weil das Gehirn gar nicht in der Lage ist, alles zu sortieren. Dann ist es einfach zu viel. Im Ohr und im Kopf.“

GEHÖRSCHUTZ BEI VERANSTALTUNGEN

Wer mit seinen Kindern eine größere Sportveranstaltung besuchen will, sollte an Gehörschutz, die sogenannten Micky-Maus-Schützer, denken. Der Lärm durch Tröten und Fangesänge ist erheblich, und insbesondere kleinere Kinder können diese Lautstärken noch gar nicht verarbeiten: „Solche Veranstaltungen würde ich mit meinem Kind nie ohne Gehörschutz besuchen.“

KINDER HÖREN MEHR ALS ERWACHSENE

Generell sollten Erwachsene immer beachten, dass Kinder mehr hören als Erwachsene. Das gilt beispielsweise auch, wenn man den Fernseher einschaltet. „Wenn nur die Kinder schauen, sollte man ruhig den Ton ein bisschen leiser stellen, als man das selber hören würde. So gibt man den Kindern die Chance, die Töne leiser wahrzunehmen“, erklärt Lissy Lemke. Das gleiche gilt beispielsweise auch für die Einstellung der Lautstärke von Kopfhörern. Können Außenstehende mithören, ist er definitiv zu laut eingestellt. Am besten sollten Kinder nur spezielle Kinderkopfhörer nutzen, denn die sind noch einmal speziell heruntergeregelt.

WANN ZUM HÖRTEST?

In Deutschland leben rund 500.000 Kinder mit einem eingeschränkten Hörvermögen. Neben angeborenen Hörstörungen können auch Infektionen oder anhaltender Lärm die Ursache sein. Doch insbesondere leichtere Hörstörungen fallen bei Kindern nicht sofort auf. Wenn Eltern das Gefühl haben, dass das Kind auf leise Ansprachen nicht reagiert, regelmäßig ähnlich klingende Worte wie „Hund“ oder „Mund“ verwechselt, sollte man einen Hörtest machen. Dafür muss man nicht unbedingt zum HNO-Arzt, das machen auch Hörakustiker. „Lieber einmal mehr den Hörtest machen, als einmal zu wenig“, empfiehlt Lissy Lemke.

HITLISTE DER LÄRMQUELLEN

In der Hitliste der lautesten Geräusche finden sich auch einige Kinderspielzeuge.
Die Lautstärke wird in Dezibel (dB) angegeben.

Geplatzter Luftballon150 dB
Startendes Flugzeug     130 dB
Quietschente direkt am Ohr130 dB
Trillerpfeife   126 dB
Presslufthammer    120 dB
Diskothek     100 dB
Arbeitsschutz vorgeschrieben85 dB
Straßenverkehr80 dB
Normales Gespräch65 dB
Flüstern30 dB
IDEEN FÜR RUHEPAUSEN

Flüsterspiele: Die Lautstärke spielerisch senken? Das funktioniert mit dem Spieleklassiker „Stille Post“. Dabei flüstert ein Kind dem nächsten etwas ins Ohr. Am Ende kommt selten die Nachricht an, die anfangs abgesetzt wurde. Andere Idee: Es darf zehn Minuten lang nur geflüstert werden. Wer zuerst normal spricht, hat verloren.

Massage: Auch Kinder mögen Massagen. Warum also nicht mal gemütlich machen, eine Entspannungsmusik einlegen und sich gegenseitig sanft massieren? Dabei kann einer dem anderen Zahlen oder Buchstaben auf den Rücken schreiben und raten, was gemalt wurde. Oder Fantasiegeschichten mit den Fingern erzählen, zum Beispiel eine Pizza backen. Wer keine direkte Berührung mag, findet vielleicht eine Massage mit einem Igelball oder einer leeren Plastikflasche toll.

Kuschelecke: Kinder können lernen, dass Stille etwas Angenehmes ist. In einer Kuschelecke mit vielen Kissen und Decken können sie sich eine Auszeit nehmen und entspannen. Der Raum sollte angenehm warm sein, im Sitzen friert man schließlich schneller. Dimmbares Licht sorgt für eine gemütliche Stimmung.

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