Georg kommt in der Grundschule nicht gut mit. Er kann sich mit seinen sieben Jahren den Unterrichtsstoff einfach schlecht merken. Besorgt suchen seine Eltern verschiedene Ärzte auf. Schließlich stellt sich heraus: Georg leidet unter einer auditiven Wahrnehmungsstörung. Ganz korrekt lautet der medizinische Begriff Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS), so wurde er von der entsprechenden wissenschaftlichen Fachgesellschaft eingeführt.
Professor Michael Fuchs ist Leiter der Sektion Phoniatrie und Audiologie der Uniklinik Leipzig und kennt sich mit den Merkmalen dieser Wahrnehmungsstörung aus. In seinen Augen ist Georgs Fall typisch. Sieben Merkmale machen eine auditive Wahrnehmungsstörung aus, dazu gehört zum Beispiel, dass sich Kinder Gehörtes nicht gut merken können. Das kurzzeitige Merken gehörter Information reicht also nicht aus.
In der Schule können Aufgabenverkettungen daher zum Problem werden. Außerdem fällt es den betroffenen Kindern schwer, Gesprochenes zu verstehen, wenn es laut ist. Häufig haben sie auch nur ein eingeschränktes Richtungshören. Das heißt, die Kinder können nicht genau sagen, von wo ein Geräusch kommt. Im Straßenverkehr fehlt ihnen damit eine wichtige Orientierung, denn sie können nicht unterscheiden, ob eine Straßenbahn von links oder von rechts kommt.
Dabei haben die Kinder eigentlich keinerlei Probleme mit den Ohren, ihre Hörleistungen sind normal. Die auditive Wahrnehmungsstörung ist vielmehr ein Fehler im Gehirn. Dort wird das Gehörte nicht richtig verarbeitet, erläutert Professor Fuchs. Häufig tritt diese Wahrnehmungsstörung mit anderen Beeinträchtigungen wie Sprachentwicklungsstörungen, Lese-Rechtschreib-Störungen und Aufmerksamkeitsstörungen auf.
Doch zum Glück kann man den Kindern sehr gut helfen. Die Therapie bezieht im Wesentlichen drei Bereiche ein, und zwar Schule beziehungsweise Kindergarten, Eltern sowie Einzelbehandlungen des Kindes. Sie umfasst eine Kommunikationstherapie bei einem speziell ausgebildeten Logopäden, oft gekoppelt mit einer Ergotherapie.
In der Schule gibt es für betroffene Kinder sonderpädagogische Förderung. Wichtig ist aber natürlich auch der richtige Umgang mit den Kindern, der auf die Besonderheiten ihres Hörvermögens eingeht. Lehrer und Eltern sollten also darauf achten, sich beim Sprechen immer dem Kind zuzuwenden, beim Reden nicht umherzulaufen und im Klassenzimmer zu schauen, wo das Kind sitzt und in seine Richtung zu sprechen.
In bestimmten Fällen kann auch Technik den Kindern helfen, und zwar mithilfe einer sogenannten FM-Anlage. Sie sieht aus wie ein Hörgerät und überträgt die Stimme des Lehrers direkt in das Ohr des Kindes.
Nach ein bis zwei Jahren dieser umfassenden Therapie haben sich die Symptome deutlich gebessert, berichtet Professor Fuchs von seinen Erfahrungen. Manche Kinder bleiben zwar störanfällig, was Geräusche angeht, Lärm können sie nicht gut ertragen. Viele aber haben nach dieser Zeit ihre auditive Wahrnehmungsstörung vollkommen überwunden.
Was hilft:
mit dem Kind Lieder singen, tanzen und musizieren
Geschichten vorlesen und erzählen
viel mit dem Kind sprechen, feste Gesprächsrituale schaffen
Und schließlich: A.SH+https://avws.selbsthilfe.plus/ – eine Online-Empowerment Plattform zur sozialen und beruflichen Teilhabe von Menschen mit Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen
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