Das Buch vom Dreck

Von Ingrid Exo

Aufstehen, waschen, Zähne putzen – heutzutage eigentlich für jeden eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Manch eine oder einer meint, er käme ohne morgendliche Dusche gar nicht in die Gänge. Aber was macht man eigentlich im All? Wie war es bei den Römern und im alten Ägypten? Und was hat es mit Pest und Wasserscheu auf sich?

Das jüngste Buch vom polnischen Illustrator Piotr Socha widmet sich in 31 Kapiteln ebenso lustvoll wie humorvoll dem Dreck und dem, was über die Jahrhunderte und Kulturen hinweg als reinlich, schicklich oder gesund galt.

DRECKIGE WÖRTER – VOM SAUSTALL BIS ZUR GELDWÄSCHE

Selbst die Sprache kann schmutzig sein. Gleich zu Beginn geht es in die Vollen, was zeigt, wie stark uns gedanklich begleitet, was nicht immer offen ausgesprochen wird oder wurde.

Übrigens sei hier auch ausdrücklich die Arbeit der Übersetzerin gelobt – was gleich zum Auftakt an „dreckiger Sprache“ aufgelistet wird, ist selbstverständlich urdeutsches Vokabular (wie Kotzbrocken, Pissnelke, Kackbratze oder der letzte Scheiß), ebenso die ganzen Redensarten (dass Dinge zum Himmel stinken oder man sich die Hände in Unschuld wäscht, während andere die beschissene Drecksarbeit erledigen). Was zeigt: Es geht beim Übersetzen um mehr als wortwörtliche Übertragung. Im Übrigen macht diese derbe Einführung ebensolch eklig-schaurigen Spaß wie die Hygiene-Zitate zu den Porträts verschiedener Zeitgenossen auf den Seiten zuvor.

GEPUDERTE PERÜCKEN UND VERFILZTE ZÖPFE – „VIEL BADEN BRINGT SCHADEN“

Badehäuser galten zu allen Zeiten auch als Orte gesellschaftlichen Lebens. Bis sie in Europa im späten Mittelalter nicht zuletzt wegen der Pest in Verruf gerieten. Seither fürchtete man sich in unseren Breiten vor dem Wasser. Der Adel puderte sich lieber, auch die Perücken. Einfache Leute und Bauern trugen Mützen und Kopftücher. Bis die Haare darunter zu filzigen Zöpfen verklumpten.

FÜR DIE ZÄHNE: STÖCKCHEN STATT BÜRSTE

Die Zahnreinigung ist auch so eine Sache. Bei so manchem Zeitgenossen hapert es da bis heute, und auch bei Kindern ist das Zähneputzen öfter mal Anlass für Gemaule und Gezeter. Ob aber spezielle Inhalationen bei „Zahnwürmern“ wirklich ein probates Mittel waren, sei einmal dahingestellt. Stäbchen und Stöckchen und das Herauskratzen der Essensreste gehört jedenfalls zu den ältesten Kulturtechniken, auch wenn es nicht so klingt. Spannend, was es da so alles zu lernen gibt.

CHINA: DIE ERFINDER DES PAPIERS KANNTEN AUCH SCHON WASSERSPÜLUNG

Und ach, na klar: das Toilettenpapier und seine Alternativen. Das Kapitel heißt Schwamm, Stein, Papier. Man mag sich da schon seinen Teil denken. Selbst hier kommen Stöckchen ins Spiel. Toilettenpapier wurde übrigens ebenfalls in China erfunden (nicht nur das Schreibpapier). Die Chinesen kannten auch das Wasserklosett schon Jahrtausende bevor es in Europa aufkam – und zwar erst Ende des 18. Jahrhunderts.

HYGIENE IM KRANKENHAUS? FEHLANZEIGE!

Im Krankenhaus ging es früher zu wie beim Schlachter. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wuschen sich nicht einmal die Chirurgen die Hände, sie wischten das Blut einfach am Kittel ab. Kein Wunder, dass manche und mancher kränker herauskam als sie hineingekommen waren. Wenn sie überhaupt wieder herauskamen. Und dementsprechend roch es auch. Eher Latrine als Lazarett.

WIE WÄSCHT MAN SICH IM WELTRAUM?

Im All übrigens kann man leider nicht baden. Wasser ist zu knapp und kostbar. Und außerdem würden die Wassertröpfchen schweben. Der nasse Waschlappen ist die Lösung in der High-Tech- Welt. Immerhin mit spezieller Seife. Spezielles Shampoo gibt es auch, man braucht es nicht auszuspülen.

Dieses Buch ist so spannend, lehrreich und unterhaltsam zugleich, dass man immer noch ein Kapitel mehr lesen möchte!

Piotr Socha war übrigens Urheber von noch zwei weiteren lesenswerten Büchern, die ebenfalls in großzügigem Format bei Gerstenberg erschienen sind: der preisgekrönte Band Bienen und Bäume.

Buchtitel Das Buch vom Dreck

Das Buch vom Dreck:
Eine nicht ganz so feine Geschichte von Schmutz, Krankheit und Hygiene
von Piotr Socha (Illustrationen),
Monika Utnik-Strugala (Autorin),
Dorothea Traupe (Übersetzerin)
Gerstenberg Verlag
‎216 Seiten
Ab 10 Jahren

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