Meine Hose ist weg!
Von Ingrid Exo
Scham und Peinlichkeit – auch weniger schöne Emotionen sind wichtig
Egal wie gründlich Nikoala nach dem Schwimmunterricht sucht, seine Hose bleibt verschwunden. Nein, wie peinlich! Alle anderen warten draußen schon auf ihn. Aber er kann doch nicht in seiner roten Herzchenunterhose herumlaufen! Der kleine Koala ist verzweifelt: „Alle werden mich auslachen!“
BLÖßE, DIE MAN BEDECKEN MUSS
Doch ob er will oder nicht, einmal muss er ja doch hinaus. Als er vorsichtig aus der Tür lugt, ist der Gang zum Glück leer. Und er entdeckt einen Regenschirm. Die Rettung! Doch nur kurz, denn er gehört dem Schuldirektor, und der freut sich, dass Nikoala ihn für ihn wiedergefunden hat. Weg ist der Sichtschutz!
Was man nicht alles versäumt, wenn man sich schämt und etwas verbergen will! Im Schulbus kann Nikoala nicht wie sonst mit seinen Freunden den Autos winken, er bleibt lieber beim Fahrer, wo man sein Elend nicht sehen kann. Auf dem Schulhof kann er nicht mit Fußball spielen. Und am allerschlimmsten: Auch seinen Schwarm Pandanna, eine Pandabärin, muss er enttäuschen, weil er keine Hand frei hat, um ihr in der Kantine den Schokopudding zu reichen, an den sie nicht herankommt. Er muss ja etwas vor seine Unterhose halten! Daraufhin zieht Pandanna beleidigt mit dem üblen Grobian Nashorst ab. Der arme Nikoala ist furchtbar traurig.
Doch just auf dem Spaziergang mit Nikoalas Widersacher rutscht Pandanna aus und stürzt in den Schulteich. Das ist Nikoalas große Stunde, ohne Rücksicht auf Verluste springt er hinterher und rettet die Angebetete. Ein Kuss und der Jubel der Umstehenden sind ihm sicher. Wer braucht da schon eine Hose?
SCHAM, SELBSTWERTGEFÜHL UND SELBSTVERTRAUEN
Im Bilderbuch von der verlorenen Hose ist es vor allem die Bilderzählung, die für echte Dramatik sorgt und intensives Mit-Leiden ermöglicht. Auf den aquarellierten Illustrationen von Quentin Gréban sind alle Schulkinder im Grunde ein Zoo aus herzerwärmend rührenden Tieren, die wie Plüschtiere anmuten. Gezeigt werden sie in oftmals ungewöhnlichen, ja dramatischen Perspektiven und extremen Blickwinkeln, die für eine besonders emotionale Wirkung sorgen.
Dieses Buch richtet sich an Kinder ab 3 Jahren, ein Alter, in dem neben der berühmten Trotzphase auch ein Bewusstsein für Normen und Abweichungen entsteht, was wiederum Schamgefühle auslöst.
Scham ist ein ganz wesentlicher Affekt, und Schamgefühle sind eine komplexe Lernerfahrung für menschliche Wesen. Sie wird von kulturellen Normen geprägt und was als Blamage gilt, ist daher in steter Veränderung. Doch das Grundgefühl ist aus keiner Gesellschaft wegzudenken und auch Kinder begegnen ihr früh. Ob man bei der Lektüre vor allem darauf Wert legt, dass es gar nicht so schlimm ist, in einer Herzchenunterhose herumzulaufen, spielt eigentlich gar keine so große Rolle. Wichtiger ist, dass der Konflikt emotional aufgelöst werden kann. Und das ist hier, wenn auch auf eine vielleicht althergebrachte und ein klein wenig kitschige Weise der Fall: Dieses Buch bietet rührende Identifikationsfiguren an und die Versicherung, dass am Ende alles gut werden kann.
Zum Schluss der Geschichte ist übrigens auch Nikoalas Hose wieder aufgetaucht …
Christine Namann-Villemin
Meine Hose ist weg!
Illustrationen: Quentin Gréban
Aus dem Französischen von Stefanie Ochel
Verlag: Insel
Ab 3 Jahre
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